Nicht immer aufschieben, lieber nils, so verschwinden die schönsten Gedanke auf immer und ewig in den verwinkelten Hallen des Vergessens…

Ok, ok.

Letzt erinnert, und zwar an zwei Dinge, aber eins nach dem anderen. Und eins wäre:
Satteltaschen!

Damals, in einer weit entfernten Galaxis, als Klein-nils noch wirklich klein und die Zeiten noch unschuldiger waren, da hatte sie jedes Fahrrad.

Satteltaschen waren kleine Leder- oder Plastiktaschen mit meistens billigen Verschlüssen und etwa in der Grösse eines Taxifahrer-Portemonaies. Sie hingen – jetzt kommt der Clou! – unter dem Fahrradsattel. In ihrer Hochzeit wurde jeder Sattel mit Laschen zur Befestigung ausgeliefert.

In einer Satteltasche war so einiges zu finden: ein kleines Tuch (wofür auch immer), ein Schraubendreher („-dreher“ nicht „-zieher“, denn er zieht ja nichts!) und ein „Knochen“, also ein Multi-Größen-Schraubenschlüssel.
Ferner noch Flickzeug (ja, liebe Kinder, vor 20 Jahren hat man einen defekten Mantel geflickt, nicht einfach ausgetauscht!) und ein oder zwei Ersatzventile, aber zu letzteren als letztes.

Satteltaschen sind dann irgendwann aus dem Stadtbild, zu dem sie ganz fest gehörten, verschwunden. Der Grund war, dass ihr Inhalt immer wieder geräubert wurde. Grösstenteils nichtmal von Bedürftigen.

Und so verschwanden die Satteltaschen für immer.

Die Moral dieser Geschichte ist etwas soziologisch verzwackt, dafür aber langatmig formuliert, die folgende:
Man mag beklagen, dass die Welt ein schlechterer Ort geworden ist, weil einem selbst noch der letzte Tinnef aus der Satteltasche geklaut wurde, heul, heul.
Andererseits kann ich das etwas aufhellen: ich habe als Kind selbst viele Satteltaschen geplündert. Nicht aus Böswilligkeit, mehr …nun: weil sie da waren!
Unrechtsbewußtsein bestand wenig. Nein: eigentlich sogar gar nicht. Ich dachte mir nichts dabei, spürte keine Erschütterung der Macht, keine deutliche Zunahme der Entropie im Universum.
Andererseits haben meine Eltern so ein Verhalten sicher nicht ermutigt, ganz im Gegenteil.
Es bleibt die Betrachtung des Ergebnisses, wo man sich schon nicht über Motive unterhalten kann:: Satteltaschen sind verschwunden. Aber eben nicht, weil die Welt ein schlechterer Ort geworden ist, sondern mehr durch Unachtsamkeit kleiner Kinder. Wie ich eins war.

Mea culpa.

Wenn Du also das nächste mal beklagst, dass die Welt ein schlechterer Ort geworden ist, und nichts mehr ist, wie es mal war, und Dich richtig in Selbstmitleid ergiesst, über die Jugend und die Zeiten schimpfst, dann lass folgenden Satz etwas Licht ins Dunkel Deiner kleinen Seel bringen:

Komm mal klar hier! – Und fass Dir an die eigene Nase.

Denn mal ehrlich: jeder hat doch so seine Satteltaschen…