Mit Narben ist das so eine Sache: sie machen sich ja soweit ganz klasse, solange man eine prima Geschichte dazu zu erzählen hat. Bei meinem letzten Unfall habe ich keine Narben davongetragen, höchstens auf meiner kleinen Seele, und meine Würde wurde stark angegriffen, aber dafür ist konsequenterweise die Geschichte dazu auch schlecht.

Die Geschichte ist kurz: in einem blöden Fitness-Center einen Sauna-Tag einlegen wollen, aus der Dusche raus, auf nassen, leicht abschüssigen Fliesen eine kleine Flugshow gemacht und auf Steiss und Handgelenk geknallt. Steiss tat nicht weh, dafür zog das die Wirbelsäule hoch bis zum Nacken. Der tut weh. Und das Handgelenk ist verstaucht.

Das ist blöde, denn man weiss so ein Handgelenk erst wirklich zu schätzen wenn es mal nicht wie abgesprochen nutzbar ist. Zum Beispiel beim wiederhochkommen vom Sofa, wenn man sich dann auf den Ellenbogen stützen muss um hochzukommen. Würdelos und vollkommen unpraktisch.

Dazu fällt mir mein Urlaub mit Falko und dessen Vater in der Jagdhütte in der Görde ein, als ich etwa acht war. Eine tolle Woche: Wald, Natur, kein fliessendes Wasser, Herumgeballer mit dem Luftgewehr (auf Dosen, nicht auf Tiere!) und dazu noch meine erste Begegnung mit traditionellen Jäger-Riten!

Falkos Vater entdeckte nämlich einen kranken Hirsch. Der hatte entzündete Hufe und konnte sich, wie ich jetzt und vom Sofa, nur auf dem Ellenbogen fortbewegen. Das Tier musste geschossen werden.
Wenn ein Hirsch geschossen wird wird das Ritual des „Hirschtotsaufens“ durchgeführt. Dazu versammeln sich alle Jäger, spielen auf dem Waldhorn, halten eine Rede („…Er war ein guter Hirsch!“) und nutzen die Gelegenheit sich hemmungslos zu besaufen.

Von den besoffenen Jägern habe ich dann später Messerwerfen gelernt. Im Sitzen, denn stehen konnten die Herren nicht mehr. Das war ebenso lehrreich wie gefährlich.

Und heutzutage sehe ich hysterische Eltern über den Spielplatz rufen: „KEVIN! Du darfst doch nicht ohne Helm Fahrrad fahren! Dir könnte etwas passieren!!“

– Ich frag mich wirklich, wie ich meine Jugend überleben konnte…