Gruesse aus der Grossen Stadt

Kategorie: Zwischenseitlich

St. Pauli bei (Lockdown-)Nacht

Samstag Nacht auf St. Pauli.

Alles war ruhig und entspannt. Am Fluss mit einem Freund Corona-konformes Bier getrunken, ein paar Photos geschossen: good Times!

…Mit einer Obdachlosen unterhalten, die an der menschenleeren Reeperbahn saß, gefragt, wie die Geschäfte laufen. Sie hat von früher und ihren Träumen erzählt.

…Der Dänische Hotdog-Laden hat als einziger geöffnet. Der Mann dort ist seit 30 Jahren in seinem Laden, so lange kenne ich ihn auch schon. Er sagt, dass er wegen einer Pest doch nicht einfach den Posten verlässt, wo solle er auch hin? Er tanzte bei der (wenigen) Arbeit zu alten Bon Jovi Nummern.

…Ein einsamer Streifenwagen fuhr im Schritt-Tempo vor uns durch die Große Freiheit.

Ansonsten nur Stille.

Die Zeitungsleserin an sich.

Gestern ging ich durch einen Park und sah auf einer Bank eine Frau sitzen, die eine Zeitung las.

Jetzt mal scharf nachdenken: wann hast Du zuletzt jemanden in der Öffentlichkeit Zeitung lesen sehen? – Ich fahre mit den Öffentlichen zur Arbeit, aber auch da stelle ich fest: weit und breit kein Papier mehr in Sicht!

Das heißt natürlich nicht, dass keiner mehr Zeitung liest, oder wenigstens Nachrichten. Überhaupt ist der Unsinn von Mopo, Abendblatt oder Bild schwer erträglich, und sein mit Artikel 11 des neuen EU-Urheberrechts ja zu veranschlagender journalistischer Wert dürfte realistisch betrachtet nahe null liegen, aber nichtsdestotrotz: die Implikationen!

Früher gab es Angst, Hass, Titten und den Wetterbericht in der Bild. Das war schlimm, aber immerhin hatte man ein klares Bild vom „Gegner“ und dessen (vorgeschobenen) Argumenten. Jetzt muss man mit Leuten diskutieren, für die sogar noch die Bild Teil der bösen System-Presse ist!

Früher(tm) hieß es zudem, dass eine Ausgabe der Bild immer von 10 (zehn!) Leuten gelesen wird. Jetzt hat Springer seine Zahlwände im Internet hochgezogen, und selbst, wenn man freiwillig für deren Unfug zahlt: weitergeben kann man die ausgelesene Ausgabe noch lange nicht! – Oder sie in der Bahn, im Café, im Pub liegen lassen, damit jemand anders darin blättern kann.

Wie wird das die Gesellschaft verändern? – Das wird sich zeigen. Aber das eine drastische, schleichende Veränderung bereits stattgefunden hat, ist am Stadtbild deutlich zu erkennen…

Mein neuer Kühlschrank

Ich habe einen neuen Kühlschrank, und das ist eine Gute Sache(tm)!

Der neue ist schön groß, allein der Kühlschrank-Teil ist fast doppelt so groß wie der alte, dazu noch ein großes Kühlfach mit drei Fächern – das ist alles eine feine Sache!

Nur eine Herausforderung stand noch bevor: die Türangeln mussten von rechts nach links verlegt werden! So fand ich also heraus, dass eine Gebrauchsanweisung für einen Kühlschrank durchaus manchmal seinen Sinn haben kann. Vermutet man darin eigentlich nur informative Berichte darüber, wie man die Tür auf und wieder zu macht, und eidestattliche Versicherungen dazu, dass das Licht auch wirklich ausgeht, wenn man die Tür schließt, so fand sich in meiner siebensprachigen(!) Gebrauchsanweisung auch ein Kapitel über das Wechseln der Scharniere.

Dazu wurde ein Bild dargestellt, dessen dargestelltes Objekt nahezu, aber nicht vollständig ohne Ähnlichkeiten mit meinem Kühlschrank auskam. – Anhand dessen sollte man nachvollziehen können, wie man vorzugehen hat.

Die deutsche Beschreibung verwendete zwar deutsche Vokabeln, machte allerdings keinerlei Sinn. Jedenfalls nicht im Deutschen. Aber gut: wozu hat man diese teuren Schulen besucht, dann also den selben Text noch einmal auf Englisch nachlesen, und sicherheitshalber auch noch auf Französisch.

Das war alles sehr interessant! – In der deutschen Version sollte man von oben aus anfangen etwas zu tun. Bei der englischen sollte man unten ansetzen. Die Franzosen wollten sich nicht so festlegen, vermutlich weil Franzosen sich eh nicht an profane Vorgaben aus Gebrauchsanweisungen  halten.

Ich habe mich denn an den englisch-sprachigen Ansatz gehalten, und das klappte dann auch recht gut. Warum die Firma Severin aber alle andere Benutzer mit alternativen Ansätzen versorgt, ist mir schleierhaft.

Vermutlich war das keine Gebrauchsanweisung, sondern Prosa, und ich habe das alles nur nicht richtig verstanden.

Das Schreiben von Gebrauchsanweisungen als Sozialkritik? Auch das wäre möglich. Oder das ist eine Marketing-Idee, und wenn man anruft um sich zu beschweren, wird einem mitgeteilt, dass man doch bitte „cool“ zu bleiben hätte, was einem mit so einem schicken Gerät schließlich leicht fallen dürfte – zu welcher Seite auch immer die Tür sich öffnet.

Offizieller WM-Song… – von Shakira?? WTF?

Gibt es vielleicht noch jemanden, dem es merkwürdig vorkommt, dass der offizielle Song für die erste WM in Afrika ausgerechnet von einem kleinen Latino-Häschen gesungen wird? – Ok: sie hat einen tollen Bauch und einen eben solchen Hüftschwung, und ihr Po ist… – aber denkt dabei wirklich jemand an Afrika?

Hm..

Walking, Nordic Walking…

Klasse.

„Es ist wie normales gehen, wobei man aber durchaus darauf achten muss, dass man den Fuss mit der Ferse zuerst aufsetzt und dann abrollt. Dabei bewegt man die Arme entgegengesetzt der Laufrichtung, das ist sehr wichtig!“
– „Walking Expertin“ im Fernsehen

Also: die Alternative wäre Stechschritt in Pumps, sehe ich das richtig?

Was würden die mittelalterlichen Teilnehmerinnen (sic! – zumeist „-innen“. und mittel- bis hoch-alterlich.) wohl tun, wenn ihnen das nicht in einem teuren Wellness-Kursus beigebracht worden wären? – Vermutlich das selbe wie jetzt – mit dem Unterschied von einer Stunde Kursausübung: Mit dem Auto zum Supermarkt um die Ecke fahren („Is‘ ja schon auch recht weit, nech?“) und im Anschluss die erworbenen Chips husch-husch vor den Fernseher getragen, dort Jürgen Fliege zugucken. Danach mit der Fernbedienung auf eine Gerichts- / Koch- / Renoviersendung umschalten[1].

Zuviel Bewegung soll’s denn ja auch nicht sein.

„Das schöne am Walking und Nordic Walking ist, dass es die Gelenke und das Herz nicht stark belastet.“
– „Walking Expertin“ im Fernsehen

– Aber SICHER NICHT!
Belastung hiesse ja, dass man schon etwas anstrengendes tut!
Statt dessen, hat man …ja: was eigentlich?

Immerhin eine gute Entschuldigung, mal wieder mit dem bis dato vor Fremden verborgen gehaltenen Jogginganzug (aka „mein Wohlfühlanzug, Du“, für Leute, die’s nicht so mit Sport haben — welch Fügung des Schicksals, oder gar: welch Omen! dass jener nun letzten Endes doch noch einem *räusper* „sportlichen“ Zweck zugeführt wird!) vor die Tür zu gehen.

Was nicht gut für die ärztliche Versorgung in diesem unseren Lande ist. Wurden früher ziellos umherirrende Personen [2] (früher oder später) von Rettungskräften aufgegriffen und Heimen oder Verwahrungsanstalten zugeführt, so ist die Hemmschwelle jetzt enorm gestiegen! – Es könnte sich schliesslich auch um einen Trendsportler handeln!

Aber ach! wer litt dort, außer dem Auge des Betrachters, in dem nicht nur Kunst entsteht, sondern eben auch physische Qual ob visueller Wahrnehmung textiler Zumutung, Höllenqualen? – Die Wellness-Industrie[3]! Da kommen die alten Leute, auf deren üppige Rente man ja schon immer aus war, und sie betreiben eine Trend-Bewegungsweise (hinfort mit dem Begriff „Sport“ in diesem Kontext!), allerdings: in ihrem Jogginganzug, die schamlosen Gestalten!

– Wie soll man daran denn nun verdienen??

Wie wir alle aus dem verschandelten Stadtbild wissen ist der Wellness Industrie doch noch eine klasse Idee gekommen: sie verkaufen ihre Restbestände an Blindenstöcken an die alten Leute!
Auf denen waren sie massenweise sitzengeblieben, seit bei der letzten Gesundheitsreform Blindheit aus Kostengründen verboten wurde (ausser in schweren Fällen in Politik und Verwaltung).

Jetzt stochern sie also durch die Gegend, durchströmen die Städte, rollen sich – oder zumindest ihre Füsse – über die Ferse ab, und dem Betrachter schreit die in der Luft hängende Frage an, was das alles soll, ausser ein Verkehrshinderniss und Unfallgrund.

Aber: hey! die alten Leute lächeln. Das ist doch auch schon mal was [4][5].

Gruesse aus der Grossen Stadt,[6]

Euer

nils

______________

[1] Ist nicht schwer, sowas hat zur Zeit fast jeder Sender zu fast jeder Zeit im Programm.
[2] Erklärte ich das schon mal irgendwo? – In meiner Zivildienstzeit lernte ich den Fachbegriff für solche Leute: „HiLoPe“, HilfLose Person.
[3] Ja, wirklich: Industrie! – Es heisst, lieber Träumer, doch tatsächlich „Ginko EXTRAKT“ auf dem Beipack Zettel des Wellness-Zeugs, welches als solches aus einer Fabrik kommt, und nicht von einem Planzenstreichler und -anlächler Blättchen für Blättchen von der Pflanze gezupft wird. Teuer ist das Wellness Produkt trotzdem. Die Recherche, was zur Hölle Ginko genau ist, und wo man diesen Extrakt in Massen herbekommen kann, hat sicher Millionen verschlungen!
[4] Notiz an selbst: das (Fehl-)Verhalten alter Leute in Oper und Theater beschreiben. Rubrik: Sport
[5] Dieser Text hatte ein vorgesehenes schwungvolleres Ende, aber dann kam die bezaubernde Antje nach Hause und lenkte mich ab. Unter anderem mit mitgebrachtem Sushi und einer Postkarte, auf der steht: „Andere Töchter haben auch scharfe Mütter“. umm: ja.
[6] Ordentliche Endung wieder eingeführt. Ich werde jetzt nicht nachträglich beigehen und alte Einträge nacharbeiten. Das wächst hier halt organisch. Hoffentlich..

Es wird besser…

Is doch schon mal was: Link auf der Startseite von headonism direkt aufs tinblog! – Jetzt ist die Wahrscheinlichkeit, dass das mal jemand liest gleich ins Unermessliche gestiegen.

Warum nicht vorher?

– Man muss die Wahrscheinlichkeit ja nicht künstlich in die Höhe jubeln, wenn man im Prinzip keine Zeit hat um’s tinblog zu pflegeln!

Anyways. Kommt mehr. Echt jetzt.

…wo ich doch jetzt selber die Seite wiederfinde…

ntv, oder: die Macht des Wortes…

Umfragen bei ntv sind ja immer wieder lustig zu lesen. Man kann sich bei den Umfrage-Ergebnissen prima ausmalen, wie empörte Konservative zu den Telefonhörern greifen und gleich mehrfach abstimmen, nur um sicher zu stellen, dass ihre aufrechte, ja (hurra!): vernünftige Meinung bei ntv ordentlich Gehör findet.

Fällt aber auch nicht schwer, bei der Art der Fragestellung:

"Sind sie dafür, dass Daimler-Chrysler Mitarbeiter Verzicht üben um den Standort Deutschland vor dem Untergang zu bewahren."

(Vielleicht nicht wortlaut, aber auch nicht bösartig verzerrt oder sinnentstellt!)

Problematisch ist doch, dagegen zu sein. Der Umkehrschluss bedeutet schliesslich: ich bin dafür, dass der Standort Deutschland von Daimler-Chryler Mitarbeitern in den Untergang getrieben wird.

– Was ’ne Alternative!

"Sind sie für die Politik George W. Bushs um die Herrschafft des Dunklen Herrn Saurons über Mittelerde abzuwehren, Freiheit, Recht und Hollywood zu schützen, und zu vermeiden, dass schamlose Gotteskrieger über uns herfallen, Ladendiebstähle begehen und unsere Frauen schänden und töten, und zwar nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge?"

100% der Teilnehmer der Umfrage wollten Antworten:
"Was ist das denn bitte für eine merkwürdige Art zu fragen!?"

Die Möglichkeit wurde nicht angeboten. Nach mehrmaligem Auszählen der Stimmen siegt dann Bush, knapp.

Dank einer kleinen Minderheit in Florida.

History Repeating…

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