Feldpost #76: Unglaubwuerdiges, die Bahn und CeBIT

Hier sind sie alle: Die bisherigen Feldpost-Ausgaben! - und zwar jeweils mit einer Kurzbeschreibung zum einfacheren Suchen. Natürlich haben wir immer noch unsere Suchmaschine hier am Laufen, aber manchmal macht es eben doch der Kontext..

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Feldpost #76: Unglaubwuerdiges, die Bahn und CeBIT

Beitragvon admin » 03.12.2003, 00:43

Realitaetsflucht?? - Niemals!

Denn die Realitaet ist ein wirklich unterhaltsamer Ort und zudem noch einer der wenigen, an denen man etwas anstaendiges zu essen bekommt!

Ort: Fussgaengerzone, vor dem 'Haus der Hoergeraete'.

Dieser Feldpostler kommt gerade vorbei geschlendert als die Verkaeuferin einer aelteren Dame die Tuer aufhaelt und ihr zuruft: "DANN SOLLTE MIT IHREM GERAET JETZT WOHL WIEDER ALLES IN ORDNUNG SEIN! BIS ZUM NAECHSTEN MAL, FRAU SOUNDSO!"

Frau Soundso muss die Schallwellen gespuert haben, denn sie dreht sich zu der Verkaeuferin um und bruellt ebenso verwirrt wie laut: "WAS!?"

Kann man ueber solche Geschichten eine ganze Feldpost schreiben? - Natuerlich nicht! Wer will denn schon die Wahrheit hoeren, wenn sie vollkommen unglaubwuerdig erscheint!?

Dann schreibe ich jetzt also eine Feldpost ueber solche Geschichten - aber niemand darf sie laut lesen, ok?

Solche Geschichten wollen wir naemlich nur und allerhoechstens in Filmen sehen, weil sie einfach nicht in unser Realitaetsgefuege zu passen scheinen. Slapstick wird zwar gelegentlich genossen, die Moeglichkeit, dass er seine Wurzeln in der Realitaet haben koennte, dabei aber vollkommen ausser acht gelassen...

Nehmen wir zum Beispiel die Englaender: jene Volksgruppe hatte in den fuenfziger Jahren einige sehr erfolgreiche Radiosendungen, in denen als Sensation ein Pantomime-Kuenstler und ein Bauchredner auftraten. - Ja, genau: im Radio!

Einige britische Freunde berichteten, dass ihre Eltern in hoechsten Toenen von diesen Sendungen schwaermten und insbesondere den Bauchredner fuer sein ausserordentliches Talent lobten. Naja...

Das soll ich mir ausgedacht haben? - Niemals! Ich sagte doch, dass die Realitaet absurd ist! Ausserdem machte das Ausdenken solcher Geschichten einen Kolumnisten unglaubwuerdig, und aus eben diesem Grund hat dieser Feldpostler von der ersten Ausgabe an niemals gelogen! - Das ist im uebrigen auch ganz einfach, solange so viele gute Geschichten auf der Strasse herumliegen...

Darueber koennte ich mir noch stundenlang Gedanken machen, muss ich vielleicht auch, denn nach einem langen Wochenende im Sueden bei Patrick und dem anschliessendem Besuch einer grossen Computermesse mag mir nicht Recht was einfallen, was ansonsten die Feldpost fuellen koennte.

Ausser vielleicht, dass die Bahnfahrt zur Messe fuerchterlich war, weil die Bahn aus purer Boshaftigkeit nur drei Viehwaggons angehaengt hatte, dafuer aber auch gleich drei Waggons der 1.Klasse, in denen es bestimmt auch erstklassig bequem war, weil leer, denn fast der ganze Sueden, inklusive mir, steckte im Viehwaggon fest und feindete sich an, was auch daran lag, dass die Bahn die computergesteuerte Sitzreservierung verschlampt hatte - "Systemabsturz, sorry!!"

Das eingepferchte Vieh reagierte darauf mit Augenrollen und Seufzen, denn den Reisenden in einem vollgestopften Sonderzug zu einer Computermesse mit Systemproblemen zu kommen ist etwa so, als waere man Masseur und auf einer Party, auf der einen die Leute staendig mit "Ich habe da so ein Ziehen an der linken Schulter, vielleicht koenntest du mal... - und, ach ja: hallo erstmal!" begruessen.

Computerfreaks kommen nicht viel vor die Tuer, und darum liessen die meisten sich trotzdem die Laune nicht verderben, jedenfalls anfangs nicht.

Auch spaeter, als eine Stimme am anderen Ende des vollgestopften Flurs im Waggon, in dem durch die Massen von Menschen das Umfallen mittlerweile unmoeglich geworden war, behauptete, dass man ihn dringend durchlassen muesste, wo er doch Bahnmitarbeiter sei, blieb die Stimmung noch gelassen, fast sogar ausgelassen, denn es konnte sich ja nur um einen Witz handeln!

Erst, als sich herausstellte, dass das kein Scherz war, und ein junger Mann sich mit drei gigantischen Thermoskannen bewaffnet den Weg durchs Gedraenge zu bahnen[1] versuchte, wurde die Stimmung leicht feindselig!

Das Gesamtbild der Messe bestimmten uebrigens Maenner[2], und zwar solche mit gelben Krawatten und schwarzen Handies, welche Gespraeche fuehrten, wie das folgende: "Was? - Wo bist du? Halle 3? - Welcher Ausgang? Nord 3? Na, ich doch auch! Ach da bist du!" - was mich wieder zurueck zum Thema 'unglaubwuerdige, aber wahre Geschichten' fuehrt, und zu einer (scheinbar) unendlichen solchen, die jede Woche mit folgenden Worten endet:

Gruesse aus der Grossen Stadt,

Euer

nils


[1] Kein Wortspiel beabsichtigt.

[2] Natuerlich bestimmten in Wirklichkeit die attraktiven Hostessen an den Staenden das Gesamtbild, aber haette ich darueber geschrieben, haette ich auch deren Motto, naemlich 'Kurze Roecke, wenig Ahnung' erwaehnen muessen, was mir vollkommen ungerechtfertigter Weise einen Sexismusvorwurf eingebracht haette! Ungerechtfertigt in dem Sinne, als dass letzten Endes die Unternehmen gezielt solche jungen Damen fuer die Messe anwerben und behaupten diese auszubilden, was sie aber vernachlaessigen, insofern kann man den Germanistik-Studentinnen[3] da auch gar keine Vorwuerfe machen!

[3] "Ist die politisch-korrekte Ausdrucksweise auf dem absteigenden Ast? - Wir befragten dazu eine alte Schwuchtel..." - anonymous

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