Feldpost #47: Die Grosse Stadt und Ententeiche

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Feldpost #47: Die Grosse Stadt und Ententeiche

Beitragvon admin » 02.12.2003, 23:47

So, das ist also die Grosse Stadt.

Die Grosse Stadt ist ein gefaehrliches Pflaster. Gestern sass ich auf meinem neuen Balkon und begutachtete die Umgebung, als ich Zeuge einer Verfolgungsjagd wurde:

Ein Tuerke fuhr auf seinem klapprigen Fahrrad die Strasse herunter, dicht gefolgt von einem Polizeiwagen aus dessen Megaphon eine unmissverstaendliche Aufforderung erschallte: "Halten sie sofort an! - Sie da! Anhalten!"

Der erschreckte Mann fiel fast von seinem Rost, als er feststellte, dass die Ordnungshueter hinter ihm her waren - zunaechst hatte er ihnen noch hoeflich Platz machen wollen, um sie nicht bei ihrer Jagd nach einem gefaehrlichen Verbrecher zu stoeren...

Die Verfolgungsjagd, die es an Dramatik nur mit der von O.J. Simpson haette aufnehmen koennen, endete, bevor ein Kamerateam des Lokalsenders aufkreuzen konnte, und leider ausserhalb meines Blickfeldes, weswegen ich leider nichts ueber ihren Ausgang berichten kann... - Seit dem fahre ich lieber Bus. Wenn Fahrradfahren in der Grossen Stadt als illegal gilt, dann muss ich mich wohl anpassen!

Erst im Lokalsender, dann gleichzeitig auch ueber das Balkongelaender hinweg verfolgte ich letztes Wochenende die Feuerwerk-Weltmeisterschaft, die ueber dem oertlichen Ententeich[1] ausgetragen wurde.

Im Lokalsender fehlte ein kleines Bisschen die Spannung - statt lautem Knallen durfte man naemlich George Bizets Carmen Suite Nr.1 lauschen - in Kinderkoepfen unsterblich gemacht durch die populaere Kinderserie 'Die Baeren sind los'[2] - die, ich bin ja kein Kost-, geschweige denn ein Kunstveraechter - natuerlich spitze ist, aber nicht, wenn der CD-Player dazu auf Repeat gestellt wurde und die 3:38 Minuten etwa sechsmal hintereinander durchnudeln...

Vom Balkon konnte man auch nur die besonders hohen Feuerwerkskoerper sehen, aber der Lokalsender hatte einige Sekunden Verzoegerung bei der vorgeblichen Live-UEbertragung, und so konnte man sich den dazugehoerigen unteren Teil immer noch nachtraeglich im Fernsehen anschauen!

Ich gebe zu, dass es vielleicht einfacher und auch schoener gewesen waere, dass Feuerwerk direkt am Ententeich zu verfolgen, aber irgendwie haben wir das nie so recht geschafft, ausser am Sonntag, und da fand - entgegen der Ankuendigung - aus unverstaendlichen Gruenden kein Feuerwerk statt, was ich aeusserst ungerecht finde...

In der oertlichen Fussgaengerzone tummeln sich, wie auch schon in der Alten Heimat, exhibitionistische Christen! - Statt allerdings, wie erwartet, im Nordsee-Restaurant unter dem christlichen Fischsymbol der Futterkette bei einem Mineralwasser auf die Ankunft des Heilands zu warten, der ihr '98er Sprudelwasser fuer DM 1.80 in einen '79er Dom Perignon fuer DM 59.50 verwandelt, haben sie sich hier in der Grossen Stadt uniformiert (Hemd und Hose in modischem FDJ-blau) und huepfen tanzend und singend wie die Krischnas hinter einem Holzkreuz her, welches von ihrem Org-Leiter durch die Gegend geschleppt wird.

Die sportlichen jungen Leute waren leider zu schnell ausser Sicht, so dass ich leider nicht berichten kann, ob sie noch spontan jemanden gekreuzigt haben.

Gruesse aus der Grossen Stadt,

yours

nils


ps: Die UFOs, die ich Nachts vom Balkon aus zu beobachten glaubte, haben sich im nachhinein als Werbezeppeline herausgestellt. Naja, ich gebe zu, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass UFOs mit Koenig Pilsener Leuchtreklame durch die Gegend fliegen, aber der Mann von der NASA haette ruhig und trotzdem etwas hoeflicher sein koennen! - Das erzaehle ich dem Daenicken und dann wird er schon sehen, was er davon hat!

[1] Der Ausdruck Ententeich ist hier vielleicht etwas unangebracht, aber ich lebe erst seit einigen Tagen in der Grossen Stadt, und da, wo ich herkomme nennt man die betreffende Suppe so! - Viele Enten, viele Schwaene, viel Entengruetze[3], und im Winter kann man darauf Schlittschuhlaufen. In der Grossen Stadt stellt man im Winter allerdings noch Gluehweinbuden und Imbissstaende dazu, was ich nie fuer besonders schlau hielt, da so eine heisse Friteuse auf dem Eis doch fuer einige Probleme[4] sorgen koennte, allemal auf lange Sicht...

Die Bankhaeuser und Spitzenhotels der Grossen Stadt liessen sich trotzdem nicht davon abbringen, ein teures Grundstueck am Ufer der Entengruetze zu erwerben...

[2] Hand auf's Herz: wer von den maennlichen Lesern fand Amanda damals nicht absolut cool!? =o)

[3] Als meine Lieblingsmutter meinen Lieblingsbrudi nach seinem ersten Kindergartentag dort wieder abholen wollte, hielt sie - der Einfachheit halber - unter den laermenden Blagen nach einem mit der Kleidung Ausschau, mit der sie den Kleinen morgens dort abliefert hat, und fand ihn nicht. Genauere Untersuchungen ergaben, dass der Kleine nach einem unfreiwilligen Bad im Ententeich komplett neu ausgestattet werden musste - er hatte die herumlungernde Entengruetze fuer Rasen gehalten und eine Abkuerzung ueber den Teich nehmen wollen, die hoechstes einem seit fast 2000 Jahren toten Tischlersohn aus Nazareth geglueckt waere (aber selbst daß ist nur ein altes Geruecht unter den dortigen Fischern gewesen)...

[4] Ich erinnere ich mich gut, wie ich in meiner Jugend munter und in Gummistiefeln um das "Eis traegt nicht!!! - Gefahr!!!"-Schild [sic!] im Eis auf dem oertlichen Ententeich herumschlitterte und dann irgendwann einbrach - nur mit einem Fuss, und nicht mal bis zum Knie, aber zusaetzlich zu dem "pit-patsch pit-patsch"-Geraeuschen beim Laufen kam noch das widerliche Gefuehl von absterbenden Fuessen! - Die Dramatik hielt sich in Grenzen, da ein Freund gleich um die Ecke wohnte und seine Mutter meinen Fuss fuersorglich trocknete, auftaute und in dicke Socken steckte.

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