Einkaufstag - Eine Angelo(tm) Kurzgeschichte

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Einkaufstag - Eine Angelo(tm) Kurzgeschichte

Beitragvon admin » 02.12.2003, 01:01

Angelo und Petrus betraten laut diskutierend den Supermarkt.
"Du hast mir immer noch nicht gesagt, was wir hier eigentlich wollen", maulte Petrus. Er hatte es einfach satt, ständig von Angelo rumgeschubst zu werden.
Er drehte sich um und sein Gesichtsausdruck zeigte wieder diese schreckliche Milde, die er auch zur Schau gestellt hatte, als er dem Hund seines Nachbarn versucht hatte zu zeigen, wie man das Bein hebt. Der Hund mußte einige Wochen später eingeschläfert werden, weil das blöde Tier es nicht lassen konnte, Lastwagen zu jageni. Das Hauptproblem hatte darin bestanden, daß er darin sehr erfolgreich war und die Beschwerden der LKW-Fahrer etwas überhand genommen hatten.
"Petrus, sieh dich um! Wo sind wir hier, deiner Meinung nach?"
Petrus wußte, daß es jetzt gefährlich wurde.
"Äh... - In einem Supermarkt", fragte er unsicher, obwohl er vor wenigen Augenblicken keinen Gedanken an Zweifel verschwendet hätte. Angelo machte immer solche Sachen mit seinem Kopf...
"Gut!!", rief Angelo. Er schnappte sich eine Salatgurke und begann das weitere Gespräch anständig zu moderieren. Einige Hausfrauen sahen ungehalten zu ihnen hinüber. "10 Punkte für den debilen Kandidaten, der direkt aus der Nervenheilanstalt zu uns gekommen ist!"
"Würdest du bitte etwas leiser sprechen", preßte Petrus durch zusammengepreßte Zahnreihen hindurch und beschloß, erst mal in Ruhe rot anzulaufen. "Ich habe dir erklärt, daß es ein Hotelbetrieb war, und keine Anstalt, und jetzt hör auf damit. Bitte!!"
Angelo hielt den oberen Teil der Salatgurke mit einer Hand zu und beugte sich verschwörerisch zu Petrus rüber.
"Das müssen die Zuschauer nicht auch noch hören: finde dich bitte mit der Tatsache ab, daß es eine Irrenanstalt war. Das einzige, was man zu deiner Verteidigung anführen kann, ist, daß du es vielleicht wirklich nicht bemerkt hast." - Er nahm die Hand wieder von der Gurke und wandte sich wieder den anderen Einkäufern zu.
"Und sagen sie uns jetzt doch bitte, lieber Kandidat, was macht man denn so in einem Supermarkt?"
"Einkaufen", antwortete Petrus vielleicht etwas zu eifrig.
"Das ist richtig", rief Petrus, und überreichte ihm als Preis einen Kohlrabi. Die Hausfrauen klatschten zurückhaltend Beifall. Mit Quizsendungen kannten sie sich aus, und die Frage war tatsächlich richtig beantwortet worden, daß hatten sie bemerkt.
Angelo zog Petrus weiter. Die Hausfrauen applaudierten immer noch und der inzwischen aufgetauchte Leiter der Gemüseabteilung, der gerade vorbeikam und zu wissen verlangte, was da eigentlich gerade vor sich ging, fand sich plötzlich und verwirrt mit einem Salatgurkenmikrofon in der Hand stehend da. Im Vorbeigehen war Angelo sein Publikum wieder eingefallen und er hatte fröhlich um einen Applaus für seine liebenswürdige Assistentin gebeten, womit er den Leiter der Gemüseabteilung gemeint hatte, der sich unerwartet im Rampenlicht wiederfand und deswegen vergaß, Angelo seine Ansichten über das Spielen mit Nahrungsmitteln, die noch nicht bezahlt worden waren mitzuteilen.

Mit Petrus im Schlepptau navigierte er durch die viel zu engen Gänge der Porzelanabteilung.
"Schund, Schund, Schund", beurteilte er die Ware ebenso pauschal, wie im vorbeigehen, während Petrus Mühe hatte, mit dem Gestrüpp des Kohlrabi keine der ziemlich teuren und filigranen Teetassen runter zu reißen. Warum die Gänge bei zerbrechlich und teuren Sachen immer viel zu eng gebaut werden, war eines der großen Geheimnisse des Universums. Wahrscheinlich war das die beste Methode, den Absatz zu sichern. Wenn nur genug Kunden genug Sachen runter werfen, dann zahlt die Versicherung und die Abteilung kann noch mehr häßliches Porzellan kaufen, damit die Gänge noch enger werden - ein Teufelskreis!
Angelo blieb abrupt stehen und Petrus prallte gegen ihn, was das Gestrüpp, das aus dem oberen Ende des Kohlrabis ragte, aufmunterte, eine zu gewagt plazierte Teetasse zu erfassen und vom Regal zu fegen. Angelo fing sie auf, bevor sie den Boden berührte.
"Unpraktisch", kommentierte er das Design der Tasse.
Petrus war glücklich genug, daß kein gemeiner Kommentar über seine Ungeschicklichkeit folgte, so daß er alle Vorsicht fallen ließ und Angelo fragte, wie er daß gemeint habe.
"Diese Henkel sind so klein, daß man seine Finger gar nicht durch bekommt, das Blumenmuster ist unter aller Sau, es paßt kaum Flüssigkeit in dieses Trinkgefäß und sollte man es trotzdem nutzen, und das Getränk ist wirklich heiß, dann verbrennt man sich die Lippen, weil das Porzellan so dünn ist, daß man die Temperatur des Getränks schmerzhaft zu spüren bekommt, wenn man sich mit den Lippen nur auf zehn Zentimeter der Tasse nähert, die man im unsicheren Griff der Asbesthandschuhe balanciert, damit man keine Brandblasen an den Pfoten bekommt." - Angelo schnappte nach Luft. Lange Sätze erschöpfen, wenn man sie ausdrucksstark und ohne Luft zu holen vorträgt.
"Warum muß ich eigentlich unbedingt mitkommen, wenn Du einkaufen gehen willst", nutzte Petrus die Pause.
Angelo warf die Tasse hinter sich und erklärte noch einmal: "Schund!"
Die Tasse zersprang mit einem filigranen 'pling!', welches sehr teuer klang.
Petrus rieb sich die Augen. Er begann Kopfschmerzen zu bekommen. Wann immer er sich mit Angelo in der Öffentlichkeit zeigte, bedeutete es Ärger. Sein Therapeut hatte ihm gesagt, daß er sich von Angelo befreien sollte. Das war einfacher gesagt, als getan. Man kann sich nur schwer von jemandem befreien, der als Argument, warum man unbedingt mitkommen müßte, den eigenen Schlips verwendet, und zwar um kräftig daran zu ziehen. Um sich befreien zu können muß man erst mal Luft bekommen!
"Die Lage ist ernst, Petrus! Ich war chinesisch essen!"
"Ach, ich verstehe", sagte Petrus erleichtert. "Du suchst nach einem Schmerzmittel!" - Er sah Angelo den Kopf schütteln - "Abführtee?" versuchte er weiter?"
Wieder schüttelte Angelo den Kopf.
"Es ist ernster als das! In meinem Glückskeks fand ich folgende Botschaft" - Er überreichte Petrus einen Einkaufsprospekt.
Petrus sah ihn erstaunt an.
"Du hast das hier in deinem Glückskeks gefunden?? Wow, soweit ist die Werbung also schon vorgedrungen!"
"Er war sehr raffiniert gefaltet", erklärte Angelo. "Ich habe eine gute Stunde gebraucht, bis ich ihn vollständig auseinanderbekommen hatte. Immerhin ist der Platz in Glückskeksen sehr begrenzt und der Prospekt ist immerhin in Din A4 Format und einige Seiten dick! Das erstaunliche ist aber, was drin steht! Lies!"
Petrus las und wurde bleich.
"Ich sehe, du verstehst" fragte Angelo ernst.
"Natürlich! - Da fragst du noch? Ringbuchordner im 10er Pack, und daß zu diesem Preis! Wo ist die Bürowarenabteilung??" - Er versuchte an Angelo vorbeizukommen um schnell einige Schnäppchen zu tätigen, doch der hielt ihn fest.
"Nicht das! Ich meine die letzte Seite! Lies!"
"Die neue Damenbinde mit betankbaren Riesenflügeln, Servolenkung und ABS! Jetzt probieren!", las er laut.
"Weiter", forderte Angelo.
"Wir bieten ihnen nicht eine, nicht zwei, nein, gleich drei Hunderterpackung zum Preis von vier!"
"Jetzt kommt's!"
"PS: Hilfe!"
"Ha!", rief Angelo, "verstehst du jetzt!?"
"Ich habe von diesen Einführhilfen für Tampons gehört, aber das es sowas auch für Binden gibt...-
"Neinneinnein! - Du verstehst immer noch nicht", unterbrach ihn Angelo, "das ist doch eindeutig ein versteckter Hilferuf! Siehst du" - er zeigte auf das untere Ende der Anzeige und hielt sie Petrus direkt vor die Nase: '"PS: Hilfe!'"
"Welch subtile Art, um Hilfe zu bitten!"
"Nicht wahr!?" - Angelo nickte eifrig mit dem Kopf. Manchmal entging ihm Sarkasmus leider vollkommen - "Es wäre mir selber kaum aufgefallen, wenn ich das Angebot nicht besonders aufmerksam studiert hätte!"
"Du hast" - Petrus schluckte - "du hast das Bindenangebot studiert?? Warum, wenn ich fragen darf?"
"Lenk nicht ab! Die Frage ist doch viel eher: Wer braucht unsere Hilfe?"
Es war unsinnig zu versuchen, Angelo von einer einmal gefaßten fixen Idee abzubringen, also kapitulierte Petrus.
"Wie gehen wir also vor", fragte er gereizt.
"Nicht so voreilig, Watson! Es gibt keine einfachen Antworten in diesem Fall!" - er hielt kurz inne und dachte nach - "Es gibt genaugenommen nicht einmal einfache Fragen in diesem Fall!"
Petrus schnaufte unzufrieden.
"Ich will nicht schon wieder der Watson sein", maulte er. "Entweder sind wir diesmal beide Sherlock, oder ich spiele nicht mit!"
Angelo hatte nicht mit Widerstand gerechnet.
"Nun stell Dich nicht so an, Petrus! - Ich kommandier dich auch bestimmt nicht rum!"
"Das hast Du schon beim letzten Mal gesagt!"
"Ich verspreche es!"
"Ehrlich?"
"Ehrlich!"
"Kein Rumkommandieren und Drecksarbeit delegieren!"
"Natürlich nicht!"



"Na, gut... Ich bin dabei!"
"So kenne ich dich! Also dann los! Besorg uns einen Einkaufswagen, und zwar pronto! - Wir wollen schließlich nicht auffallen, oder?"
Petrus seufzte. Es war also doch wieder alles beim alten...

Wer glaubt, daß Goldfische ein sehr entspanntes Leben führen, unterschätzt den Streß, dem die überhaupt nicht goldenen Flossentiere ausgesetzt sind.
Harry, zum Beispiel, wäre sehr froh, wenn er das entspannte Leben eines gerade gestürzten südamerikanischen Diktators führen würde, der verzweifelt versucht, zu Fuß durch ein Spalier seiner ziemlich empörten Landsleute das Land zu verlassen. Harry nahm sich die Zeit, diese Idee noch einmal zu überdenken, und kam zu dem Schluß, daß das etwa Chancengleichheit bedeuten würde. Er sollte sich lieber mehr Gedanken um seine eigene Situation machen.
Er war unter Umständen, die selbst Goldfischen nicht voll verständlich sind, urplötzlich in einem großen Bassin aufgetaucht, oder besser: untergetaucht, wie es bei Fischen üblicher ist. Etwas desorientiert durch die Reise, die eine solche Überinterpretation von Metaphern bedeutete, daß Goldfischen danach immer fürchterlich schwindelig ist, schwamm er kopfüber im Wasser und sah sich um.
Dann sah er sie.
Er hatte schon immer eine Schwäche für Regenbogenforellen gehabt, aber dieses Exemplar hatte Rundungen, die seine Phantasie in Bahnen lenkten, daß ihm ganz mulmig wurde. Ihr Teint war so atemberaubend, daß er nicht anders konnte, als sie mit weit geöffnetem Mund anzustarren. Als er sich wieder einigermaßen gefaßt hatte, versuchte er möglichst lässig und unauffällig an ihr vorbei zu schwimmen. Als er etwa auf ihrer Höhe war, warf er seinen Fischkopf in den Nacken und blubberte ihr cool hinterher.
Etwas stimmte nicht. Die Blasen, die er beim Hinterherblubbern ausgesondert hatte, verließen von seinem Standpunkt aus unüblich seinen Mund nach unten. Er probierte es noch einmal.
Da! - es passierte schon wieder.
Goldfische sind bei weitem nicht so dumm, wie man es ihnen gerne nachsagt. Harry fand schnell heraus, daß die Blasen sich direkt dem näherten, was unter Fischen landläufig 'Wasseroberfläche' genannt wird. Er dachte kurz darüber nach. Wenn die Blasen aus seinem Mund sich in Windeseile nach unten an die Wasseroberfläche bewegten, dann hieße das ja... - Harrys Gesicht nahm einen noch tieferen Rotton an, als es ohnehin schon bei Goldfischen der Fall war und er drehte sich selbst mit einer unauffälligen Rolle in die normale Schwimmlage - mit dem Bauch nach unten.
Er sah sich um. Niemandem schien es aufgefallen zu sein. Glück gehabt.
Die Regenbogenforellendame schwamm immer noch mit dem Bauch nach oben. Harry näherte sich ihr verschwörerisch.
'He, schöne Frau! Falls es Dir nicht aufgefallen ist: Du schwimmst verkehrt herum!' - Er sah sich noch einmal um. Das 'mit-dem-Bauch-nach-oben-Schwimmen' schien ein neuer Trend in diesem Bassin zu sein. Alle Fische in seinem Blickfeld taten es. Er wandte sich wieder seiner Angebeteten zu.
'Hör mal, Schatz, du solltest dich dringend Umdrehen! Du weißt schon: Menschen sind da etwas empfindlich, was verkehrt herum schwimmende Fische angeht! Sie holen dich aus dem Becken und spülen dich in die Große Kanalisation, weil sie denken, daß du tot bist, und die Große Kanalisation ist nicht der Ort, an dem junge Forellen wie du sich herumtreiben sollten, es sei denn sie sind...' - Er brach abrupt ab und besah sich seine Flamme etwas genauer. Erkenntnis stieg in ihm auf. Schnell sah er sich die anderen Fische in seiner Nähe an. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen...
'- es sei denn, sie sind ...tot', beendete er den Satz. Harry befand sich inmitten eines gigantischen Fischfriedhofs.

Das Gerangel in Supermärkten um Einkaufswagen ist eine brutale Angelegenheit. Alte Damen, die man sonst friedlich auf Parkbänken sitzen sah, wo sie Tauben und Enten mit vergiftetem Brot fütterten, widersprachen offen allen mit ihrem Alter eigentlich verbundenen Erwartungen an sie und erwiesen sich als härteste Gegner im Kampf um die wenigen Einkaufswagen, die nicht den typischen Linksdrall haben, der zusammengenommen für mehr Zerstörungen und Prellungen verantwortlich ist, als jede herkömmliche strategische Waffe.
Die Entwicklungsabteilungen der größten Militärmächte des Planeten leugnen es zwar noch, aber auch in ihren Labors wird mittlerweile an einer militärischen Nutzung des 'Einkaufswaggeneffekts' gearbeitet. Der einzige Nachteil besteht bisher darin, daß man Gefechte mit dieser Technik immer zur Haupteinkaufszeit stattfinden lassen müßte, und man wohl kaum von den Gegnern erwarten kann, daß sie sich an die Ladenöffnungszeiten halten. Einige Völker sind dafür einfach zu unkultiviert.
Petrus brauchte eine glatte Viertelstunde um einen Einkaufswagen zu ergattern, und auch das gelang ihm nur, weil er ihn einer älteren Dame wegnahm, die ihn unvorsichtigerweise verlassen hatte, weil er ihr gesagt hatte, daß häßliche Fellmützen gerade im Angebot waren, wohlwissend, daß Rentnerinnen auf häßliche Fellmützen stehen!
Vollkommen aus der Puste kam er wieder bei Angelo an, der gerade in der Waschmittelabteilung stand und versuchte den Unterschied zwischen April- und Frühlingsfrische herauszufinden.
"Sehr verwirrend! Wenn du meine Theorie hören willst -"
"Nein, danke", sagte Petrus artig.
"- dann bedeutet Aprilfrisch nur, daß man vorher nicht genau sagen kann, ob die Wäsche sauber wird, oder nicht. Das ist nämlich wie mit dem Wetter im April: Es könnte schneien, oder warm werden, aber meistens ist es einfach nur scheiße. Weiß der Teufel, warum die Werbestrategen dachten, daß 'Aprilfrische' sich gut verkaufen ließe..." - Er packte beide Packungen in den Einkaufswagen.
"Warum...?" - Petrus wußte zwar, daß es aus Angelos Sicht für alles eine sehr vernünftige Erklärung gab, aber er mußte sich manchmal einfach etwas auf die Sprünge helfen lassen.
"Weil mein Waschmittel alle ist, Watson! - Was denkst Du denn?"
Petrus dachte, daß Angelos Waschmittel schon seit vielen Jahren alle ist. Sein verwaschenes, speckiges T-Shirt hatte schon bessere Zeiten gesehen und Petrus Vermutungen gingen soweit, daß diese Zeiten noch vor seiner eigenen Geburt gelegen haben mögen. Angelos geschnürte Lederhose hatte auch ihre Blütezeit schon hinter sich, und nur Angelo selbst und die Bakterienkulturen, die Petrus in ihr vermutete, konnten da anderer Meinung sein.
Lederhosen braucht man nicht zu waschen, sagte Angelo immer. Petrus Meinung war, daß Lederhosen in diesem Fall doch besser nicht länger als maximal ein Jahr halten dürften.
Er seufzte.
"O.k., Angelo, hier sind wir also. Wie gehen wir nun vor?"
"Strenge deine Phantasie etwas an! - Wir suchen einfach nach Merkwürdigkeiten und gehen Hinweisen nach!"
"Ich weiß ja nicht, wann du zuletzt einkaufen warst, Angelo, aber falls du es nicht weißt: Dies ist ein Supermarkt! - Der Vorraum zur Twilight Zone! Das Entree zum Theater Imago (Nur für Verrückte). In Supermärkten passieren immer die merkwürdigsten Sachen. Selbst wenn hier ein Vulkan ausbräche, wäre das einzige, was die Leute täten, eine Packung Spüli aus der Lava aufzunehmen und zu sagen: 'Sieh mal: Nur 1.99 DM! Wenn das mal kein Schnäppchen ist!'"
"Naja, vielleicht sollten wir nicht allen Merkwürdigkeiten nachgehen, aber wir sehen uns einfach um und vielleicht finden wir ja die Person, die mir den raffinierten Hilferuf hat zukommen lassen."

Die Person schwamm gerade, hektisch nach einem Ausweg suchend durch einen riesigen Fischfriedhof und war überhaupt nicht glücklich. Seine neueste Flamme war tot, und das, bevor sie sich überhaupt richtig kennengelernt hatten. Davon abgesehen war offensichtlich auch ihre Familie tot, und die Familie von Fischen, die sie wahrscheinlich nie in ihrem Leben kennengelernt hatte.
Wenn man sich plötzlich in einem Massengrab wiederfindet, entwickeln die Gedanken eine ganz besondere Eigendynamik, die besonders bei Themen wie Flucht, Angst und Kraftausdrücken besonders schnell arbeitet, aber bei gesundem Menschenverstand mehr oder weniger den Rückwärtsgang einschaltet. Harry hatte schnell herausgefunden, daß zu den Seiten und nach unten keine Fluchtmöglichkeit bestand. Das war nicht weiter verwunderlich. Schließlich war immer noch Wasser im Becken, was deutlich daraufhin wies, daß Seitenwände und Boden durchaus massiv waren.
Er versuchte durch eine Yoga-Übung seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Fünf Minuten später war sein Körper kompliziert verknotet und sein Geist wieder klar. Sein erster Gedanke war: 'Mist! - Ich kriege den Knoten nicht wieder gelöst! ...Ist zufällig ein Orthopäde anwesend?'

"'Fleischwurstwarenfachverkäufer gesucht!!!' - Das ist die Idee", behauptete Angelo begeistert und wedelte mit seinem Zeigefinger in Richtung eines Schilds hinter der Wursttheke.
"Angelo, jetzt hör aber auf! Da sind Leute mit Beilen und riesigen Messern, und die verwenden drei Ausrufezeichen, was nicht eben für gute geistige Gesundheit spricht! - Da willst du dich bewerben?"
"Natürlich nicht!"
"Das beruhigt mich..."
"Das sollte es nicht - du wirst dich für den Job bewerben!"
Petrus Unterkiefer hakte aus und er war zu verblüfft um anständig zu protestieren.
"Sieh mal, es ist doch ganz einfach: Die gefährlichsten Orte im Supermarkt sind doch die, in denen scharfe Gegenstände sind. Ich werde also die Haushaltswarenabteilung genauer unter die Lupe nehmen, während du dich hinter den Kulissen der Fleischabteilung umsiehst! - Du kennst dich einfach besser aus mit ehrlicher Arbeit! - Ich dagegen mit logischem Denken. Außerdem habe ich in meinem Leben nie auf ehrliche Art und Weise Geld verdient. Ich habe immer nur Pizza ausgefahren..."
"Und ich bin Buchhalter, Angelo!"
"Ein guter Einwand! - Also auch keine ehrliche Arbeit..."
"Natürlich ist Buchhaltung eine ehrliche Angelegenheit, aber ich hantiere normal mit Taschenrechner und Kugelschreibern und nicht-"!
Angelo unterbrach ihn. Mit weit aufgerissenen Augen erklärte er: "Die Arbeit ist doch ehrlich? Na, dann mußt du das wohl machen! - Stell dich beim Filialleiter vor! Ich werde später wieder vorbeikommen, wenn ich die Haushaltswarenabteilung durchsucht habe! Bis später!"
Angelo verschwand und Petrus fragte sich einmal mehr, wie er jetzt schon wieder hereingelegt worden war.

Harry hatte inzwischen festgestellt, woran die anderen Fische gestorben waren. Irgend jemand hatte sie vergiftet. Dummerweise waren alle möglichen Verdächtigen außer Harry selbst inzwischen tot und er tendierte dazu, seinem eigenen Alibi glauben zu schenken, auch wenn er sich selbst nicht ausreichend erklären konnte, wie er überhaupt in das Bassin gekommen war.
Die letzte Lösung die ihm zu dem Fall einfiel, war die, daß sämtliche Fische einem merkwürdigen Kult angehörten, und glaubten, daß ein UFO hinter dem Mond geparkt war, daß ihre Seelen nach einem Massenselbstmord auf den Uranus mitnehmen würde. Die Theorie war nicht sehr gut, wie er bereit war zuzugeben. - Was sollten Fische auf dem Uranus? Das Wetter war beschissen und die Kfz-Steuer viel zu hoch! War der Mörder also vielleicht jemand von 'Außerhalb'? - Mißtrauisch sah Harry zur Wasseroberfläche hinauf. Das könnte Ärger bedeuten. Wer auch immer das angerichtet hatte, er würde sicher zurückkehren um zu sehen, ob sein Werk vollbracht war. Augenblicklich drehte sich Harry auf den Rücken und spielte Toter Fisch. Er würde den Täter erwischen, wenn er wiederkäme...

Petrus tastete sich den schummrigen Gang entlang, der in jedem Supermarkt existiert, und der eigentlich zu den Verwaltungs- und Lagerräumen des Marktes führen sollte, wie er dachte.
Von außen sieht er kurz und einigermaßen hell aus, aber sobald man ihn betritt unterliegt man dem, von dem Petrus hoffte, daß es eine raffinierte optische Täuschung war: Der Gang schien auf einmal unendlich lang zu sein, die Kartons die herumstanden wurden größer, während die Wände immer kleiner zu werden schienen. Petrus beschleunigte seinen Schritt. Er hörte die Geräusche seiner Schuhe auf dem Boden mit sehr lautem Hall, als ob sie von weit her kommen würden. Er bekam langsam Klaustrophobie.
Dann erlosch das Licht und Petrus stand plötzlich im Dunkeln. Desorientiert sah er sich um. Hinter sich zeichnete sich in weiter Ferne die Schwingtür ab, durch die er hereingekommen war. In seiner Laufrichtung sah er ebenfalls eine Tür. Sie schien etwas näher zu sein. Er eilte weiter. Vollkommen überraschend stand er nur wenige Sekunden später außer Atem vor dieser Tür. Erschöpft stieß er sie auf und sah zu seinem Erstaunen...-
Jemand packte ihn brutal an der Schulter und wirbelte ihn herum.
"Was haben sie hier zu suchen", verlangte ein breit-gebauter Mann zu wissen, der einen häßlichen hellblauen Kittel trug, auf dem in verblichenen Lettern 'Filial eiter' zu lesen war.


"Wußten sie, daß sie einen chinesischen Supermarkt in ihren Hinterräumen haben", fragte Petrus verblüfft.
"Es ist ein japanischer Supermarkt! Und jetzt kommen sie mit mir!" - Er führte Petrus zurück in den Korridor.

Angelo sah sich fasziniert in der Haushaltswarenabteilung um. Nicht, das er viel Ahnung von modernen Haushaltsgeräten hätte, aber er sah auf den ersten Blick, daß man Probleme mit dem Sicherheitsdienst bekommt, wenn man solche Sachen in seinem Bordgepäck mit ins Flugzeug zu nehmen versucht.
Mit spitzen Fingern hob er ein ebenso spitzes Werkzeug in die Luft, das als 'Tomatenschneider' bezeichnet wurde. Angelo erschauerte. Mit diesem Gerät kann man eine Tomate nicht einfach nur schneiden, man kann sie damit brutal töten und ihr die Seele rauben!
Er überlegte, ob der Notruf vielleicht von einigen Tomaten ausgegangen war, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. In der Gemüseabteilung war ihm nichts merkwürdiges aufgefallen, und er hatte sich genau umgesehen! Angelo legte den Tomatenschneider angewidert zurück. Er bemerkte eine Verkäuferin, die ihn aus einigen Metern Entfernung verzückt beobachtete. Er grinste sie breit an und versuchte sie durch das Herumspielen an einem anderen Küchengerät aus der Fassung zu bringen. Das funktionierte nicht.
Wenn man älter als 15, 16 ist, dann reagieren die Verkäuferinnen immer verzückt, wenn man alles ausprobiert, was dem ganzen etwas den Charme raubt. Wahrscheinlich liegt es daran, daß sie glauben, man könnte die Sachen auch bezahlen, wenn man sie kaputt macht.
"Selig sind die Armen im Geiste", brummelte Angelo und warf eine eitergelbe Moulinex kaltlächelnd vom Regal. Das Grinsen der Verkäuferin bekam einige Kratzer, aber es hielt. Angelo ging ungerührt weiter, um etwas anderes aus dem Regal zu werfen.
Er haßte verzücktes Grinsen!

Harry hätte sein Leben für ein ihm dargebotenes verzücktes Grinsen gegeben. Naja, nicht wirklich! - Zumindest war er kurz davor, sein Leben für ein brutales, blutrünstiges Grinsen zu geben und das war ihm eigentlich gar nicht recht.
Er hatte seine Theorien etwas erweitert. Er war jetzt sicher, daß die toten Fische nicht Mitglieder einer Uranus-Sekte waren. Darauf war er gekommen, indem er gründlich und nach allen Gesetzen der Logik darüber nachgedacht hatte. Erleichtert wurde ihm die Wahrheitsfindung noch durch eine große, brutale, behaarte Hand, die auf einmal in das Becken griff und anfing, die Fischleichen einzusammeln.
Der Täter war tatsächlich an den Tatort zurückgekehrt!
Bald wurde auch Harry herausgefischt. Er war einer der letzten, was den Vorteil hatte, daß er nicht ganz unten in der Wanne lag, in die der Fischschlächter seine Opfer warf. Er hatte schon einmal in seiner Jugend leidige Erfahrungen mit Sauerstoffatmosphäre gemacht und hatte danach in Wochenendkursen gelernt, wie man als Fisch einige Stunden lang durch die Augen atmen kann. Das trübt zwar etwas die Sicht, aber immerhin hatte er noch eine kleine Überlebenschance, vorausgesetzt, daß der Fischmetzger nicht darauf bestand, ihm die Innereien herauszureißen...
Er spürte wie die Wanne angehoben wurde und versuchte sich, für den Fall einer möglichen Flucht, den Weg zurück zum Bassin zu merken, aber je weiter er fortgetragen wurde, desto kleiner wurde seine Hoffnung. Goldfische sind nicht sehr gut zu Fuß...

Der starke Arm des Filialleiters führte ihn den Korridor zurück und schob ihn durch eine Tür, von der Petrus schwören könnte, daß sie vorhin noch nicht dagewesen war.
"Hinsetzten", kommandierte der Mann und preßte Petrus auf einen wackeligen alten Holzstuhl, der merklich ächzte unter Petrus Gewicht. Der Filialleiter setzte sich ihm gegenüber an seinen Schreibtisch und drehte die Schreibtischlampe so, daß sie Petrus blendete.
"Reden sie schon! Wer hat sie zum Spionieren geschickt?"
"Wieso spionieren? - Ich wollte mich für den Job als Fleischwurstwarenfachverkäufer bewerben", stammelte Petrus und versuchte seine Augen vor dem grellen Licht abzuschirmen.
"Oh, na gut..." - Die Lampe wurde wieder auf den Schreibtisch gerichtet - "Warum haben sie das nicht gleich gesagt! Haben sie irgendwelche Qualifikationen?"
"Ähem, eigentlich nein... Naja, ich esse mein Steak gerne blutig", log Petrus.
"Sie haben den Job", sagte der Filialleiter. Er stand auf um Petrus seine Pranke zu reichen. "Der letzte Mann für den Job war nicht so überqualifiziert wie sie! - Und: bitte vergessen sie ganz schnell wieder, was sie vorhin hinter der Tür gesehen haben, ja? Wir wollen doch keine Gerüchte in die Welt setzen, am wenigsten, wenn sie wahr sind!"
Zögernd nahm Petrus die ihm entgegengestreckte Hand und bereute es sofort, als die Durchblutung seines unteren Arms empfindlich abgeschnitten wurde.
"Bevor ich es vergesse: was habe ich nicht gesehen", fragte Petrus unschuldig.
"Na, unser Geheimnis, wie wir die weltweiten Transportkosten auf ein Minimum reduzieren konnten, in dem wir alle Supermärkte unserer Kette weltweit durch Zwischentüren miteinander verbunden haben!"
"Oh, das Geheimnis! - Nein, nein, ich habe natürlich nichts gesehen!"
"Danke", sagte der Filialleiter und drückte Petrus Hand noch einmal besonders intensiv bevor er sie losließ. Petrus besah sich den schmerzhaft pulsierenden Klumpen Fleisch an, den er sein ganzes bisheriges Leben lang als sehr praktisch empfunden hatte, aber der ihm wahrscheinlich die nächsten Wochen nicht als Greifwerkzeug zur Verfügung stehen würde.
"Dann kommen sie mal mit, junger Mann", erklärte der Filialleiter. "Ich werde ihnen ihre neue Wirkungsstätte zeigen!"
Petrus tat so, als könne er sein Glück kaum fassen und folgte ihm.

Die Verkäuferin folgte Angelo mittlerweile nicht mehr. Vor einigen Minuten hatte sie ihr verzücktes Grinsen verloren, und kurz danach ihre Geduld mit Angelo, der gar nicht daran dachte, die zahlreichen Dinge, die er mittlerweile aus den Regalen gefegt hatte, zu bezahlen. Die Verkäuferin hatte kurz versucht, ihn zu ermahnen, daß er sich doch bitte anständig benehmen solle, was Angelo mit einer Bemerkung über die Integrität ihrer Gartenmöbel pariert hatte. Das war zwar unpassend, aber er hatte in fließendem Suaheli geantwortet, so daß die arme Verkäuferin mittlerweile davon ausgegangen war, daß sie sich mit diesem merkwürdigen Ausländer sowieso nicht unterhalten konnte und daß man da, wo dieser merkwürdige Mensch herkam, sehr merkwürdige Sitten und Gebräuche hatte, was den Umgang mit elektronischen Haushaltsgeräten anging. Sie hatte es daher vorgezogen, sich woanders umzusehen und war abgerauscht um einige Kinder in der Spielwarenabteilung schlecht zu behandeln.
Angelo war jetzt in der Waffenabteilung des Supermarktes, deren Existenz an sich ihn doch schon ziemlich verwunderte. Genaugenommen war die Waffenabteilung auch als Sportzubehörabteilung ausgezeichnet, aber die Geräte, die da vorfand hätten zum Bekämpfen einer kleinen Armee gereicht. Angelo fand Golfschläger schon ziemlich gefährlich und Baseballschläger waren nicht umsonst ein Standard-Modeaccessoire der besonders kurzhaarigen, gewaltbereiten Jugend. Am gemeinsten fand Angelo aber das neue Modell von Joggingschuhen, daß er gefunden hatte. Er tobte jetzt schon die dritte Runde durch die Abteilung und schaffte es nicht, wieder anzuhalten.
Sport ist Mord, und Sportschuhe mit superelastischen Sohlen sind ein eindeutiger Attentatsversuch. Nach der vierten Runde beschloß er, daß ihm etwas Luftveränderung sicher ganz gut tun würde und er verließ die Sportabteilung, weiterhin joggend. Immerhin könnte er sich auf diese Art unauffällig im Supermarkt umsehen, dachte er irrtümlich.
Schon in den ersten drei Minuten, die er durch den Laden hüpfte hatten drei ältere Kunden vor Schreck einen Herzinfarkt erlitten und sieben herumstreunende Kinder hatten sich laut jubeln an seine Fersen geheftet, um ihn zu jagen.

Der Fischschlächter hatte die Wanne in einem großen gekacheltem Raum abgestellt und war in einem Nebenraum verschwunden. Harry hörte das Rascheln einer Zeitung. Ein Radio dudelte leise vor sich hin und eine tiefe, unmelodische Stimme sang die Songs mit. Er sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Es sah nicht gut aus. Der Tresen, auf dem die Wanne stand, war zu hoch, um sich herunterzustürzen und einen schnellen Sprint in Richtung Tür zu machen. Außerdem konnte er weder sprinten, noch den Türgriff betätigen. Er dachte angestrengt nach. Es mußte eine andere Möglichkeit geben!
Dann entdeckte er etwas: An der Wand gegenüber hing ein Geschirrhandtuch. Es war etwas verblichen, was auch kein Wunder war, da es schon fast 20 Jahre auf dem Buckel hatte. Das konnte Harry daran erkennen, daß es eines dieser Werbehandtücher war, auf dem ein mit Werbung umrandeter Kalender aufgedruckt war.
In den Siebzigern waren sie der letzte Schrei unter den Werbemitteln, dann gerieten sie plötzlich in Vergessenheit. Auf dem Handtuch war eine Anzeige mit einem dicken Filzer umrandet: "Meyers lustige Werbeprospekte - auch für Ihren Supermarkt!"
Harrys Gehirn arbeitete wieder auf Hochtouren. Er faßte den für einen Goldfisch ungewöhnlichen Entschluß, zu telefonieren. Auf dem Tresen, auf dem auch die Wanne stand, in der er lag, sah er ein Telefon stehen. Er zwängte sich zwischen seinen toten Artgenossen hindurch an den Rand der Wanne und ließ sich auf den Tresen fallen. Mit geschickten Bewegungen, die er Schlangen in einer Natursendung abgeguckt hatte, die er vor einiger Zeit gesehen hatte, robbte er zu dem Telefon. Ein geschickter Flossenschwung warf den Hörer von der Kabel und er wählte die Nummer der Werbeagentur.
"Die Nummer hat sich schon vor 15 Jahren geändert", erklärte eine leicht genervt klingende Automatenstimme, "bitte holen sie sich ein neues Telefonbuch und schlagen da die neue Nummer nach! Dankeschön!"
'Jetzt hör mal zu, Automat', begann Harry laut in den Hörer zu denken.
"Die Nummer hat sich vor 15 Jah-"
'- Ich sagte, Du sollst zuhören!!'
Die Automatenstimme hielt inne.
"Das kann ich nicht! Ich bin eine Tonbandaufnahme von vor 15 Jahren", erklärte die Tonbandaufnahme unsicher.
'Ach, ja? - Hör mal, ich bin ein Goldfisch! Glaubst du etwa, daß Goldfische telefonieren können?'
Die Stimme überdachte dieses Argument.
"Nein", sagte sie dann.
'Also, unterhalten wir uns... Hast Du was zu schreiben da?'

Petrus betrachtete sich angeekelt seine blutverkrustete Schürze. Angelo hatte immer sehr merkwürdige Ideen, wie man Probleme lösen könnte, die man ohne ihn überhaupt nicht hätte. Hier stand er nun und mußte so tun, als könnte er tote Schweine von toten Kühen unterscheiden, dabei bestellte er sich sogar im Steakhaus seine Gerichte immer nur nach dem Zufallszahlenprinzipii und hoffte, daß das, was dann geliefert wird, einigermaßen genießbar ist.
Er hatte sich schon einige Zeit mit dem Beil beschäftigt, welches ihm sein neuer Chef zusammen mit der Schürze ausgehändigt hatte, und er war stolz, schon nach wenigen harmlosen Verletzungen herausgefunden zu haben, welches Ende das gefährliche ist.
Petrus hatte durch das Herumprobieren mit dem Beil bisher jeden potentiellen Kunden vergrault. Entweder waren diese angewidert, von Petrus großzügigem Umgang mit seinem eigenen Blut, oder sie hatten Angst bekommen, daß ihm die Panscherei mit seinem eigenen Lebenssaft sicher bald nicht mehr ausreichen würde und er sich im Blutrausch auf den nächstbesten Kunden stürzen wird, der gemischtes Gehacktes verlangen würde.
"Immer drückt Angelo mir die Drecksarbeit auf", maulte er und versuchte dabei, ein Stück stinkende Leber zu zerhacken, daß ihm zufällig vor's Beil kam. Er verfehlte seinen Finger nur um Haaresbreite.
"Das kannst du so nicht sagen", bemerkte eine Stimme.
"Angelo", fragte Petrus. Er blickte sich um, sah aber niemanden, außer einem Pulk von Kindern, die weiter hinten standen und mit ihren Blicken die Decke des Supermarktes absuchten.
"Hier oben", sagte Angelo.
Jetzt sah Petrus ihn. Er klammerte sich an ein Schild über der Fleischtheke, auf dem 'Rindfleisch zu Wahnsinnspreisen!!!' stand.
"Ich sage nur zwei Worte: 'superelastische Sportschuhe'!"

'...Und nicht vergessen! - Das muß als Zusatz zu dem Werbeprospekt in 15 Jahren minus drei Tagen untergebracht werden, sonst habe ich echt ein Problem! Noch Fragen?'
"Ja, eine", sagte die Automatenstimme, "du meinst, daß es 15 Jahren tatsächlich die weibliche Regel in der Hand passiert?"
'Naja, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich den Werbespot richtig verstanden habe. Es könnte natürlich auch nur eine Metapher gewesen sein, aber ich glaube, es stimmt schon!'
Die Automatenstimme, die offenbar weiblichen Geschlechts war, seufzte.
"Ich weiß nicht, ob das nun ein Rückschritt oder ein Fortschritt ist..."
Harry hörte, wie im Nebenraum eine Zeitung zusammengerollt und ein Stuhl zurückgeschoben wurde.
'Hör mal, ich muß jetzt Schluß machen! - Mein Schlächter scheint seine Pause beendet zu haben und ich muß wieder toter Fisch spielen. Ich zähle auf dich!'
"Mach dir keine Sorgen, Harry, ich habe schließlich fast 15 Jahre Zeit, den Prospekt zu entwerfen, falten und einbacken zu lassen. Es wird schon gutgehen! Pass' auf dich auf!"
Harry legte den Hörer so gut er konnte auf die Gabel zurück und schlängelte sich dann gerade noch rechtzeitig zu dem Bassin herüber als auch schon der Schlächter zurückkehrte.

"Die hätten wirklich dranschreiben sollen, daß man die Dinger nicht in geschlossenen Räumen verwenden darf", schimpfte Angelo.
"Komm jetzt da runter, Angelo! Du erregst aufsehen!"
"Tu' ich nicht! - Als ich die letzte halbe Stunde wie ein Irrer durch den Laden gehüpft bin, da habe ich Aufsehen erregt! Jetzt bin ich bloß noch ein Ärgernis." - Er sah sich gehetzt um - "Wenn mich wenigstens nicht diese brutalen Kinder die ganze Zeit gejagt hätten! - Die dachten, sie könnten mich mit gut gezielten Wurfgeschossen aus der Bahn werfen. Ha! - Oh, oh, sie haben mich entdeckt! Wir sehen uns später, Petrus!"
Der hatte gar keine Zeit, Einspruch einzulegen, Angelo hatte sich von dem Schild herunter geschwungen und hüpfte wieder ziemlich ungraziös durch die Gänge, während die Horde von mittlerweile gut 30, mit Konserven aller Größen bewaffneten Kinder, die Verfolgung aufnahm...

Der Supermarkt verwandelte sich immer mehr in einen Hexenkessel. Ältere Menschen hatten sich in der Gemüseabteilung zusammengerottet und verlangten eine Fortsetzung der Quizsendung, die Angelo angefangen hatte und wollten unbedingt mit dem Leiter der Gemüseabteilung erörtern, daß die Kameras doch bitte etwas sichtbarer plaziert werden sollten, damit sie wüßten, wo sie hineinwinken sollten. Einige besonders vorwitzige Omis hatten sich mittlerweile eine Salatgurke geschnappt und versuchten sich an einer eigenen Quizsendung.
Mehrere Rettungswagenbesatzungen waren eingetroffen, um in der Schneise der Zerstörung, die Angelos Hüpferei hinterließ, die Opfer einzusammeln, die nicht rechtzeitig den Wurfgeschossen der ihn verfolgenden Kindern ausgewichen waren, einzusammeln und ärztlich zu versorgen.
In der Haushaltswarenabteilung war ein Feuer ausgebrochen, weil die Verkäuferin, die Angelo dort anfangs verfolgt hatte, nicht bemerkt hatte, wie der einen Föhn in ein Teppichshampoo-Verteilgerät gesteckt hatte. Die Feuchtigkeit hatte für einen Kurzschluß gesorgt und die Flammen der leichtentzündlichen Reinigungschemikalien waren schnell auf die darüberstehenden Garantiert-Feuerfesten-Fonduebestecke übergegangen.

Petrus saß in der Fleischabteilung und beobachtete das Chaos aus sicherer Distanz, als die Schwingtür zum Lagerraum hinter ihm aufging und der Hausschlachter hereingestapft kam und eine Kiste mit Fischen in die Theke stellte.
"Mahlzeit", knurrte er und verschwand wieder.
"Was für ein netter Kerl", dachte Petrus. Er sah sich die neue Auslage an. Was für eine Sensation! Er war erst eine halbe Stunde hier beschäftigt und schon war sein Aufgabenbereich erweitert worden: Er war jetzt auch Leiter und einziger Mitarbeiter der Fischabteilung. Er sah sich den Haufen toter Fische genauer an und fragte sich, ob er die etwa auch noch ausnehmen müßte. Das würde ihm nicht sonderlich gefallen. Er dachte zurück an vergangene Abenteuer und an seinen alten Weggefährten, Harry. Gut, er war nur ein Goldfisch, aber hatte seine Gesellschaft geschätzt, weil er eines der wenigen Wesen war, das nicht ständig auf ihm herumhackte. Vor einiger Zeit war er verschwunden. Sein Glas war eines Morgens einfach leer gewesen. Kein Brief, keine kurze Nachricht, er war einfach weg...
Er war so in Gedanken versunken, daß er überhaupt nicht gemerkt hatte, daß sich ein riesiger, unflätig aussehender Kerl vor seiner Theke aufgebaut hatte.
"Oh, entschuldigen sie bitte! Ich war gerade in Gedanken versunken", erklärte er, und machte sich daran, sich eine Schnittverletzung zuzufügen, damit der Kunde wieder verschwand.
Der dachte überhaupt gar nicht daran.
"Nicht schlecht, die Technik", brummte der Kunde mit bedrohlicher Stimme, "aber wenn ich sowas bei mir mache, muß normalerweise immer die Ambulanz kommen und mich reanimieren. Ich würde ihnen ja gerne die Narben zeigen, aber ich habe jetzt wirklich großen Hunger! Geben sie mir den Goldfisch, und zwar schnell!!"

Harry hatte die Szenerie aus seiner Wanne voller toter Artgenossen verfolgt. Er hatte alles versucht, um Petrus Aufmerksamkeit zu erregen, was wirklich nicht sehr einfach war, wenn einem die Flossen abzufrieren drohen. - Der Fischschlächter hatte nämlich die Wanne kurz vorher noch mit Eiswürfeln aufgefüllt. Das hatte er mal in einem Film gesehen und er nahm seine Arbeit gelegentlich auch mal Ernst.
Also kombinierte Harry seine Aufwärmübungen mit dem Versuch, Petrus auf sich aufmerksam zu machen. Zunächst hatte er Zweifel gehabt, daß Petrus vielleicht nicht gekommen war, ihn zu retten, sondern daß er mit dem Schlächter unter einer Decke steckte. Schließlich hatte er eine blutverschmierte Schürze und ein schwang ständig ein scharfes Beil! - Dann hatte er aber gesehen, wie Petrus Versuche mit dem Beil zu hantieren regelmäßig in Selbstverstümmelungen ausarteten und er war beruhigt. Auch Angelos Auftauchen hatte ihm klargemacht, daß noch alles beim Alten war und sie wohl wirklich da waren, um ihn zu retten... Glück gehabt!
Relatives Glück, zumindest, denn auch seine beste Fred Astaire Nummer hatte es nicht vermocht, Petrus Aufmerksamkeit zu erregen, dafür aber die dieses gemeinen Kerls, der ihn jetzt kaufen und verschlingen wollte. Offensichtlich hatte ihn niemand davon in Kenntnis gesetzt, daß es gar keine vernünftigen Rezepte für Goldfische gibt, dachte Harry voller Panik und versuchte unter einer Flunder Schutz zu suchen. Sein Ende schien gekommen zu sein. Petrus' blutverschmierte Hand griff zielsicher nach ihm und holte ihn aus der Wanne...

"Diesen Goldfisch", fragte Petrus. Irgendwie kam der Goldfisch ihm bekannt vor.
"Ja, geben sie ihn mir! - Sie brauchen ihn mir nicht einzupacken! Ich werde ihn gleich hier essen!" - Der Gorilla leckte sich die Lippen.
"Also, ich weiß nicht", grübelte Petrus und betrachtete sich den Goldfisch, der ihm ein verschmitztes Lächeln zeigte und ihm mit einer Flosse zuzuwinken schien. "Ich glaube dieser Fisch ist gar nicht zu verkaufen, sondern nur... Harry!??" - Die Erkenntnis übermannte ihn urplötzlich - "Er ist nicht zu verkaufen", sagte er laut und versteckte Harry eilig hinter seinem Rücken.
"Ich sagte: her damit!! Ich verstehe keinen Spaß bei meiner Nahrungssuche! Rück' den Fisch raus, oder ich fresse dich!!" - Der Gorilla langte über die Theke, griff Petrus an die Gurgel und zog ihn zu sich heran - "Fisch her, oder ich mach' dich alle, Mann!"
"Ich habe nicht sehr viel übrig für gewaltbereite Kunden und ich muß sie darauf hinweisen, daß ich bewaffnet bin. Au!" -Beim bedrohlichen Schwingen mit seinem Beil war es ihm aus der Hand gerutscht und steckte jetzt zitternd in seinem Schuh. Zum Glück handelte es sich nur um eine leichte Fleischwunde.
Petrus wandte sich dem häßlichen Gesicht des Gorillas zu und versuchte es mit einem einnehmenden Lächeln.
"Wir können doch sicher darüber wie zivilisierte Menschen reden, oder?"

Angelo sah, daß Petrus in Schwierigkeiten steckte. Das war gar nicht so einfach. Zum einen steckte mittlerweile fast der ganze Supermarkt in Schwierigkeiten, zum anderen Petrus ständig in welchen, und es ist nicht immer leicht auszumachen, ob es sich um besondere Schwierigkeiten, oder nur die ganz normalen Probleme des Alltags handelte...
Gerade erst hatte Angelo die ihn verfolgenden Kinder in der Süßwarenabteilung abgehängt, die gerade Feuer gefangen hatte. Viele zukünftige Pyromanen unter ihnen sahen das erste mal ein richtiges Lagerfeuer mit allem, was dazu gehört, zum Beispiel geröstete Marshmellows und genug heißem Tee (wenn die glühenden Dosen auch eigentlich Eistee enthalten sollten...). Er hüpfte gerade durch den Autozubehörgang und versuchte von da aus herauszufinden, wer hier nun Hilfe brauchte, als er bei Petrus von weitem erste Anzeichen von Ersticken bemerkte. Er änderte seine Hüpfrichtung um ihm zur Hilfe zu kommen.

Petrus Blickfeld war gerade etwas eingeschränkt. Er sah nur die widerliche Visage seines Gegenübers und dessen übergroße Faust, die irgendwie nach Schicksal und Verwesung roch, als er in den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.
"Entschuldigen sie bitte" sagte eine Stimme, die erst von unten, dann von oben zu kommen schien.
Der Gorilla ließ Petrus los, so daß der endlich wieder Luft schnappen konnte. Auch Harry freute sich darüber, da Petrus' Griff um ihn sich doch stark verstärkt hatte, als der gewürgt wurde...
"Wer spricht da?" - Der Gorilla versuchte den Herkunftsort der Stimme auszumachen. Angelo hüpfte hinter ihm auf und ab und versuchte dabei möglichst würdevoll auszusehen, was ihm komplett mißlang.
"Sie dürfen doch nicht einfach das Personal würgen, mein Herr!"
Petrus gestikulierte wild hinter dem Rücken des Mannes herum und versuchte Angelo klarzumachen, daß es um Harry ging.
"Ich will aber den Goldfisch fressen", erklärte der Gorilla und klang dabei wie ein sprechender King Kong in einem besonders schlechten Film.
"Ah, Goldfisch!" - Angelo schien endlich begriffen zu haben - "Eine exzellente Wahl, mein Herr!"
Petrus spürte, wie Harry sich in seiner Hand verkrampfte. Er versuchte ihm beruhigend auf die Schulter zu klopfen, was bei einem Goldfisch nicht sehr einfach ist, wenn man ihn dabei nicht töten oder zumindest bewußtlos schlagen möchte.
Der Gorilla war verblüfft. Er wollte den Goldfisch nur aus purer Boshaftigkeit fressen. Das jemand ein kulinarisches Interesse an dem kleinen Stück Fisch hatte, warf ihn etwas aus der Bahn.
"Ach, wirklich", fragte er unsicher.
"Ja, unbedingt! - Mit Dill gewürzt und einer Prise Zimt! Delikat! Zu ihrem Pech muß ich sie darauf hinweisen, daß dieser Goldfisch leider für die Bar-Mizwa meiner Schwippschwägerin reserviert ist, und daher nicht an sie verkauft werden kann!"
Der Gorilla fühlte sich wieder auf sicherem Terrain. Er hatte wieder Gelegenheit, gemein zu sein. Er schnappte sich den immer noch hüpfenden Angelo aus der Luft und probierte jetzt auch an ihm seinen beliebten Würgegriff aus.
"Herzlichen Glückwunsch an deine Schwippschwägerin! - Der Goldfisch gehört trotzdem mir!" - Mit seiner freien Hand langte er wieder über den Tresen und griff sich Petrus.
"Habt ihr noch irgendwelche letzten Worte", knurrte er bedrohlich.
"Naja, eines vielleicht: Angelo, wenn du kannst, dann duck dich besser, und zwar genau jetzt!!" - Mit voller Kraft trat Petrus dem Gorilla gegen das Schienbein. Der ließ die beiden mit einem lauten Aufheulen los und sie rollten sich sofort schutzsuchend auf dem Boden zusammen. Keine Sekunde zu spät: Eine größere Ladung Konservendosen (Gemischter Obstsalat) traf den Gorilla und schickte ihn zu Boden.
"Glück gehabt", murmelte Angelo.
"Das hat mit Glück nichts zu tun! - Die Kinder haben deine Fährte wieder aufgenommen! Achtung!!" - Eine neue Ladung Konservendosen verfehlte sie nur deshalb, weil sie sich im letzten Moment zur Seite rollten.
"Ich habe Harry", rief Petrus und schwenkte den gelittenen Goldfisch durch die Luft, "ich bin mir sicher, daß der Hilferuf von ihm kam! Die Mission ist also erfüllt. Können wir jetzt bitte gehen, Angelo?"
Mehr Dosen flogen durch die Luft. Eine verfehlte Angelos Kopf nur knapp.
"Sie werden immer besser", murmelte Angelo anerkennend, "und sie kommen näher! Laß uns abhauen!"
Sie rappelten sich auf und verschwanden in dem Seitengang mit Badreinigern, in denen ihnen eine große Gruppe schwer mit Dosen bewaffneter halbstarker folgte, die sehr begeistert von dem Unterhaltungsangebot des Supermarktes waren.
"Jetzt komm schon, Angelo!"
"Einen Moment noch", rief der. Er war gerade dabei die Sportschuhe auszuziehen, folgte ihm aber gleich darauf. - "Diese Schuhe sollten von der UNO verboten werden! Oder vom TÜV - die Bremse fehlt nämlich!", murmelte er.
Sie rannten weiter auf den Ausgang zu.

Vom Straßencafé gegenüber des Supermarktes betrachteten sie in aller Ruhe das weitere Geschehen.
Die Bundeswehr war mittlerweile angerückt, um die aufständischen Kinder unter Kontrolle zu bringen. In Käfigen wurden sie aus dem lichterloh brennenden Supermarkt abtransportiert, direkt zu einer Offiziersschule der Bundeswehr. Solches 'Material' wie diese Kinder konnte man da gut gebrauchen.
Ein Rudel Rentner stand vor dem Flammenmeer und behinderte die Löscharbeiten. Ihre Quizsendung in der Gemüseabteilung war schon bis zum Superpreis fortgeschritten, als sie zwangsevakuiert wurden und sie weigerten sich jetzt lautstark, die Feuerwehr durchzulassen, bevor man ihnen nicht verspricht, daß man zuerst ihre Preise retten würde.
Der Unterhaltungschef eines privaten Fernsehsenders versuchte im Gedrängel irgend jemandem die Rechte für das neue Showkonzept abzukaufen. Verhandelt wurde noch über den Titel. 'Tutti Frutti' fanden die meisten Rentner zu anstößig und die '100.000 Gemüse Show' klingt einfach nicht wirklich gut.
Einige Zoologen waren damit beschäftigt, den Gorilla von der Fleischtheke mit Betäubungsgewehren niederzustrecken. Sie wußten zwar nicht, wo das Wesen herkam, der schnell angereiste Reinhold Messner behauptete aber, daß es sich um den ersten Yeti außerhalb des Himalaja handeln mußte und war erstaunt, daß er sprechen konnte.
Seine lauten "Ich will einen Goldfisch essen! Mit Dill und Zimt!!"-Schreie drangen bis zu Angelo, Petrus und Harry ins Café herüber, die breit grinsend den Gesprächen an den Nebentischen zuhörten: "Also das soll der Yeti sein? Sehr interessant, aber das er so dumm sein würde, daß hätte ich nicht gedacht..."
Harry schwamm fröhlich in einem großen Bierglas voll Wasser (mit einem Spritzer Zitrone) umher, und genoß es, endlich wieder ordentlich durchatmen zu können. Petrus und Angelo hatten ihre erlittenen Wunden notdürftig versorgt und genossen jetzt einen großen Eiskaffee.
Sie waren zufrieden mit ihrer Leistung. Harry war gerettet, und sie waren sicher, daß alle Menschen noch rechtzeitig aus dem Supermarkt gerettet worden sind. Angelo hatte erklärt, daß die Versicherung sowieso für alle Schäden aufkommen wird, die sie angerichtet hatten, und sie sich darüber also keine Sorgen zu machen brauchten und Petrus hatte diese These dankbar übernommen.
Ein sehr verwirrt dreinblickender Asiat, dessen Kleidung und Gesicht rußgeschwärzt war, schlenderte zu ihnen herüber und fragte sie in fließendem japanisch, ob das hier wohl der richtige Weg zur Supermarkttoilette war. Da keiner von ihnen japanisch sprach, zuckten sie nur mit den Schultern. Der Japaner warf noch einen kurzen, hungrigen Blick auf Harry, murmelte etwas von 'Sushi' und verschwand dann nach einer artigen Verbeugung um weiter zu suchen.
"Wo kommt der denn her", fragte Angelo.
"Kennst du diese langen, versteckten Zwischengänge in Supermärkten, von denen man immer glaubt, daß sie zum Lager führen?"
"Ja, was ist damit?"
"Nun, ich darf nicht darüber reden, aber du solltest sie dir mal genauer ansehen", erklärte Petrus geheimnisvoll.

Nach einer Weile zahlten sie und verabschiedeten sich voneinander. Die Polizei hatte die Straße mittlerweile wieder freigegeben und die Ruine des Supermarktes brannte nur noch an wenigen Stellen.
"O.k., ihr zwei, dann wünsche ich euch alles Gute", sagte Angelo und wandte sich zum gehen. Er drehte sich noch einmal um und fragte: "Hast du nach dieser ereignisreichen Mittagspause vielleicht Lust, heute nach Feierabend noch was zu unternehmen?"
Petrus wog das Bierglas mit dem wieder glücklich-bewässerten Harry in der Hand und dachte darüber nach.
"Nein, danke, ich glaube das war erst mal genug Aufregung... - Ich denke, ich werde mich heute Abend lieber etwas entspannen und etwas ungefährlicheres machen, als mit dir unterwegs zu sein. Vielleicht gehe ich Bungeespringen - ohne Seil, oder ich buche ein langes Wochenende auf der Mir..."
Sie grinsten einander breit an.
"Klingt gut! - Und wenn du Hilfe brauchen solltest...-"
"Ich weiß! - Dann werde ich es dich bestimmt nicht wissen lassen! Sicher ist sicher!"


(c) zAphod / h.l.v.s.-publications in mcmxcviii
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[Fußnoten]
i Das Hauptproblem hatte darin bestanden, daß er darin sehr erfolgreich war und die Beschwerden der LKW-Fahrer etwas überhand genommen hatten.
ii "Einmal die Nummer zwölf mit Salat, bitte!"

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