Feldpost #36: Tornados und Scherben

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Feldpost #36: Tornados und Scherben

Beitragvon admin » 02.12.2003, 23:30

Thema: Fussball? - Nein, noch nicht. Als ordentlicher Fussi-Gegner muss ich noch etwas Material sammeln, also: naechste Woche!

Derweil erst einmal eine weitere Episode aus der spannenden Serie, wir missverstehen uns, aber richtig!

Unlaengst genoss ich mit Christoph und Niko ein Feierabendbierchen unter einem Strommast an der Elbe, was viel schoener ist, als man im ersten Moment denken koennte. So sassen wir also da und sinnierten in den Sonnenuntergang hinein, als Christoph die Stille unterbrach: "Wenn hier jetzt ein Tornado direkt vor uns vorbei jagen wuerde, das waere doch ein Schauspiel!"

Niko und ich sahen ihn und uns verstaendnislos an.

"AEhem, Christoph, sicher ist das schoen anzusehen, aber ich glaube kaum, dass wir dann noch hier sitzen wuerden! - Der wuerde uns mitreissen, und solche Sachen! Meinst du nicht, dass es vollkommen reichen duerfte, wenn er am anderen Ufer lang saust? Da wohnen schliesslich kaum Leute, die das stoeren koennte!"

Christoph beteuerte, dass das gar nicht so schlimm waere, und nein, der muesse schon direkt unter den Strommasten durchsausen!

Wir dachten einige Zeit darueber nach.

"Wir reden aber auch bestimmt beide von einem Wirbelsturm, ja?" - fragte ich verwirrt.

"Wirbelsturm?? - Natuerlich nicht! Das waere viel zu gefaehrlich! Ich meine natuerlich das Duesenflugzeug!"

Ah! - Man muss natuerlich immer daran denken, dass Christoph trainierter Moerder ist - was ausnahmsweise keine Hasstirade gegen Soldaten im Allgemeinen darstellen soll, sondern darauf hinweist, dass er als Sanitoeter [der Leser entschuldige bitte dieses billige Wortspiel!] gedient hat.

Also kein Wirbelsturm.

Seit einer Woche habe ich endlich Glasscherben im Auge.

Das ewige Augenfenstergeputze ging mir auch gruendlich auf einen Teil meiner primaeren Geschlechtsmerkmale, und so ging ich denn mit meiner Lieblingsmutter zum Optiker um Scherben anpassen zu lassen. Anna traegt schon seit fast 30 Jahren Scherben - damals haben die noch den Koerperschwerpunkt ob mangelnder Feinmechanik deutlich nach vorne gelagert - sie waren so schwer, dass die Leute staendig mit gesenktem Haupt durch die Weltgeschichte liefen, aber das ist natuerlich nur ein Geruecht.

Nach dem die Optikerin mir eine halbe Stunde lang fasziniert, aber unter dem billigen Vorwand einer Untersuchung in die Augen gestarrt hat [bitte entschuldigt mein Ego] kam sie mit zwei putzigen Scherben auf mich zu, die verdaechtig gross aussahen, jedenfalls fuers Auge! Fuer einen guten Witz bin ich gerne zu haben, und lachte unsicher, obwohl ich beinahe eine Drohung darin sah.

Der Witz war dann auch schnell vorbei, als die gute Frau darauf bestand, dass ich mir die Glasstuecke in die Augen druecken sollte. Verstaendnisvoll nickte ich, stand auf und erklaerte, dass ich nur noch mal eben etwas Dringendes zu erledigen haette, aber gleich danach wiederkommen wuerde, und sie koenne ja schon mal ohne mich anfangen - sobald ich mein Studium beendet habe, wuerde ich wieder zurueck sein!

Sehr witzig, kommentierten Anna und die Optikerin und versperrten die Fluchtwege.

Verdammt!

Ich will niemandem Angst einjagen: So schlimm ist es nicht, nur sehr ungewohnt, wenn beim Blinzeln immer etwas auf der Pupille rumlungert. Das Auge haelt es anfangs fuer einen Fremdkoerper und versucht es rauszuheulen, weswegen man die erste Zeit nicht eben besonders gut sehen kann.

Wohlan und - husch, husch! - raus hier! sagte die Optikerin und bestand darauf, dass ich erstmal eine Stunde spielen gehe, um zu sehen, ob ich was sehe und sie nachher an meinem Auge was sehen kann, was meine Sicht sichtlich beeintraechtigen koennte. Super. Von welcher Sicht sprach die Dame hinter dem Nebel aus Traenen bloss?

Egal nur nichts anmerken lassen und munter hinaus auf die Strasse. Anna sprang vor mir her und fluesterte mir in dezentem Bruellton die Hindernisse zu, auf die ich achten sollte: "Vorsicht, Stufe! - Na, zu spaet, macht ja nichts... - Vorsicht, Wand!"

Sie fuehrte mich auf diese Art und Weise zu Spar, wo sie noch einiges einkaufen wollte. "Stell mich einfach irgendwo ab und geb' mir einen Kugelschreiber und ein Mohnbroetchen, Anna, ich loese dann solange das Kreuzwortraetsel", verkuendete ich tapfer. - "Mohnbroetchen sind aus. Hier, spiele mit den Radieschen", sagte meine herzlose Mutter und liess mich mit dem jungen Gemuese alleine.

Als wir den Laden wieder verliessen stiess mir meine Mutter mit dem Ellenbogen in die Seite: "Grinse nicht so manisch und hoer auf, den Baeumen zuzuwinken!" - Na, gut, dann mache ich mich eben sozial unmoeglich! - Das war ja auch nur eine Vorsichtsmassnahme, falls irgend jemand Bekanntes an mir vorbeilaeuft und sich wundert, warum ich nicht gruesse. Anna sagte, dass mich nie wieder jemand gruessen wird, wenn ich weiter mit Baeumen und Werbeplakaten rede, und ich denke, dass sie da wohl recht hatte, also liess ich es bleiben.

Am Ende der verordneten Stunde kaufte meine Mutter mir ein grosses Eis.

Ich verstand den Zweck dieses Manoever natuerlich sofort und wies darauf hin, dass ich nun wirklich nichts mit Pawlows Hund gemein haette!

Ich trage meine Scherben mittlerweile den ganzen Tag im Auge und bin sehr stolz auf mich. Ich schaetze aber, dass der stuendliche Eiskonsum waehrend dieser Zeit mich frueher oder spaeter in den Ruin treiben wird...

Gruesse aus der Heimat,

yours

nils


ps: Einmal Unnuetzes Wissen noch zum Abschluss, naemlich Teil 534267: In den Sechzigern haben die US-Amerikaner 500.000 US$ fuer die Entwicklung eines Fuellers ausgegeben, der auch in der Schwerelosigkeit funktioniert. Die Russen haben einen Bleistift benutzt. - Und die Moral von der Geschichte: KISS! (=Keep It Simple, Sucker!)

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