Kapitel 12

Die vorlaeufige Endversion des ersten Abende-füllendem Werkes von Pat / 'twoflower' und nils / 'zAphod'

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Kapitel 12

Beitragvon admin » 01.12.2003, 23:46

Der Staub legte sich langsam und der Turm stand still.
Es tat sich nichts.
Zehn Minuten später tat sich immer noch nichts.
Nach zwanzig weiteren Minuten setzten endlich die lebensrettenden Sofortmassnahmen ein: Die Soldaten wurden durch das für sie unverwechselbare Geräusch sich öffnender Bierdosen aus ihrem Koma geweckt.
"Bei Risiken und Nebenwirkungen nehmen Sie die Packungsbeilage und schlagen damit Ihren Arzt oder Apotheker", stöhnte Nase.
"Wenn das helfen würde, wäre es ja immerhin schon mal was", antwortete Tieger und nahm einen ordentlichen Schluck Bier.
"Wir sollten mal nach der Maschine sehen, ich glaube sie ist nicht mehr ganz in Ordnung!"
Sie gingen auf die traurigen Reste der Maschine zu. Der Sergeant wankte an ihnen vorbei. Sein Helm sass überhaupt nicht vorschriftsmässig und unterhalb seiner Nase fest.
"Dem Sergeant scheint irgendetwas durcheinandergeraten zu sein, diese neumodische Art auf die er seinen Helm trägt hilft ihm bestimmt nicht dabei seine Umgebung wahrzunehmen!" grübelte Tieger.
Ihr Vorgesetzter taumelte gegen eine Säule, ging zu Boden und wimmerte leise.
Die Gefreiten machten sich an den Überresten der Maschine zu schaffen. "Sieh mal, was für ein Pfusch! Endlich sieht man mal, woraus die Maschine zusammengesetzt ist! Lächerlich", beschwerte Nase sich und trat angewiedert gegen etwas, das aussah wie eines der Teile, die bei der Reparatur von Rasenmähern ständig übrig bleiben ohne dass ihr Fehlen schwerwiegende Folgen hätte.
Tieger zog eine Kaffeekanne aus den Trümmern. "Sieh Dir das an! Wozu braucht diese Maschine eine Kaffeekanne die sich, einmal geschlossen, nicht mehr öffnen lässt, frage ich Dich!?"
"Oder hier: Ein Hufeisen! Und was für eins! Vor allem hängt noch ein Pferd mit dran.!"
"Oh - Und sieh mal da unten: Da liegt sogar noch der Reiter und ein Eimer und ein... EIN VIDEOSPIEL!!"
"Gib das her!"
"Nein! Nimm Du das Pferd!"
"Ich will den blöden Gaul nicht! Gib mir sofort das Videospiel!"
Petrus fand seine arg gebeutelten Überreste achtlos dahingeworfen und wieder einmal unter einem Pferd in einer Ecke liegend. Irgend- jemand brüllte "Töte dieses ausserirdische Pack!". Petrus schloss seine Augen und begann in Erwartung seines Todes nocheinmal damit, sein bisheriges Leben vor seinen Augen ablaufen zu lassen.
Er war sich zwar nicht bewusst, daß die von der Boulevardpresse vorrausgesagte Invasion der Marsianer schon stattgefunden hatte, beschloss aber doch besser vorsichtig zu sein.
Nach der dritten Wiederholung seines Lebens packte Petrus die Langeweile. Die wenigen interessanten Stellen konnte er schon beim zweitenmal mitsprechen und beim drittenmal hatte er seine Notizen für den Regisseur beendet, mit denen er hoffte, dass sein Leben beim nächsten Sehen etwas interessanter gestaltet werden könne. Einige Kameraperspektiven stellten ihn ausserdem arg unvorteilhaft dar.
Er ordnete die Notizen, steckte sie in einen Umschlag und addressierte diesen an die Produktionsfirma. Den Umschlag warf er weg. Auf dem normalen Postweg waren die Herren eh nicht zu erreichen, es blieb also nur Zufall Inc (" Der Zufall schafft, was die Post nicht rafft!" lautet ihr Werbespruch)
Petrus setzte sich auf.
Die beiden Soldaten knieten über einer Videospielkonsole und dachten überhaupt nicht daran, Petrus irgendwelche Beachtung zu schenken.
"Äh, meine Herren! Entschuldigen sie bitte! Ich möchte ihnen wirklich keine Umstände machen, aber...", begann Petrus.
Keine Reaktion. Jedenfalls nicht auf ihn. Nase hatte gerade den siebten Level erreicht.
Petrus erinnerte sich daran die Namen der Soldaten im Abspann seines Lebens gesehen hatte: "Mitwirkende in der Reihenfolge ihres Auftretens (um Streit zu vermeiden)"
Er versuchte also sie direkt anzusprechen:
"Herr Nase? Hallo, Herr Tieger?" - Keine Reaktion.
Neunter Level. Petrus gingen langsam die Ideen aus. Er sah nur noch eine letzte Möglichkeit - In ihrer Lächerlichkeit war sie zwar kaum zu übertreffen aber trotzdem direkt aus dem Leben gegriffen.
Petrus suchte sich aus den Trümmern der Maschine einen interessant zerbeuelten Eimer und setzte ihn sich auf den Kopf. Er schnappte sich einen in der Ecke stehenden Feudel, hämmerte mit dem Stiel auf den Boden und brüllte mit tiefer Stimme:
"Soooooldaaaten: Aaaaaachtung!"
Tieger und Nase standen stramm. Petrus kicherte zufrieden.
Ein unfehlbarer Trick: Sehe möglichst lächerlich aus und schreie herum und Soldaten halten dich sofort für ihren Vorgesetzten.
Petrus nutzte die Verwirrung und schnappte sich die Vieokonsole. Die Soldaten schrien mitleiderregend auf als Petrus brutal den Stecker der Videokonsole aus der Steckdose zog.
Er nahm den Eimer vom Kopf.
"Könnten wir jetzt vielleicht reden??"

Es stellte sich heraus, daß ein Gespräch tatsächlich möglich war.
Man darf seine Ansprüche natürlich nicht zu hoch schrauben! Jeder vernünftige Gesprächsansatz wurde unterbrochen von erneutem Wehklagen der Soldaten. Es stellte sich heraus, daß die lokalen Kriegskonventionen sich sehr ausdrücklich mit Videospielen und deren hinterhältige Unterbrechung befassten und gerade für Unterbrechung im neunten Level eine sehr gemeine Strafe vorsahen.
Wie dem auch sei, Petrus war froh herauszufinden, daß Soldaten bei weitem nicht so dumm sind wie sie den Anschein haben. Nase und Tieger murrten zwar, erklärten sich jedoch bereit ihm zu helfen, einen Weg zurück zu seinen Freunden zu finden, nachdem er seiner Lage noch einen gewissen mitleiderregenden Touch verlieh:
"Ihr müßt mir helfen! Ich war bei meinem Videospiel im 17. Level und konnte gerade noch die Pause-Taste drücken. Wenn ich nicht bald zurückkomme um meine Stromrechnung zu zahlen, dann ist der Spielstand für alle Zeiten verloren...", log Petrus mit weinerlicher Stimme. Nach einem Blick auf die Soldaten kam er nicht umhin hinzuzufügen: "...Hier habt ihr ein Taschentuch!"
Nase und Tieger schluchzten hemmungslos. Dankbar nahmen sie das Angebot an und schneutzten sich.
Petrus, Nase und Tieger hatten es sich auf der Spitze des Turms mit etwas zu essen bequem gemacht. Nachdem das Geheul des Sergeants etwas leiser geworden war (Die naheliegenste Lösung aus Sicht der Soldaten war: Kellertür schliessen - Sergeant leiser!) konnten sie sich in Ruhe unterhalten.
Die Soldaten versuchten sich gerade wieder zu beruhigen. Sie litten an hysterischen Lachanfällen seit Petrus die Schilderung seiner Reitversuche beendet hatte.
"...Und du hast keine Ahnung, wie du in diese Gegend gekommen bist", versuchte Nase, jetzt etwas ruhiger, rauszubringen.
"Nicht die Spur! Ich weiss ja nicht einmal, was das hier für eine Gegend ist!"
"Mal schön der Reihe nach: Der Tee und der Tod (TM) sind schuld, wenn du mich fragst", resümierte Tieger.
"Der Tee? Der Tod?" - Petrus war, gelinde gesagt, etwas verwirrt.
"Sag nicht, daß Du nicht gemerkt hast, dass in deinem nicht nur getrocknete indische Blätter waren! Man kann doch nicht so blauäugig sein, in einer Hippiekommune pures heisses Wasser mit Geschmack zu erwarten, oder", fragte Tieger und fragte mit einem Seitenblick auf Petrus lieber noch einmal nach: "Oder??"
Petrus fand sich in die Enge getrieben. Er wurde ein bischen rot und flüsterte verlegen: "Natürlich nicht..."
"Nun gut. Als du dann jedenfallsdurch die Tür stürmtest, da war es klar, dass du Tods (TM) Service in Anspruch nahmst!
Petrus war jetzt ein klein bischen deprimiert. Seit er sich mit diesem verrückten Pizzabäcker auf den Weg machte taten alle Leute immer so, als hätte er von nichts Ahnung. Das Schlimme war, dass sie Recht hatten.
"Ihr meint, ich bin tot!?"
Die Soldaten kamen nicht umhin laut zu stöhnen. Petrus fand es nicht in Ordnung, dass sogar zwei einfache Soldaten mehr Wissen besassen, als er, ein ausgebildeter Elite-Buchhalter. Leider liess es sich nicht ändern und es stellte sich heraus, dass die Sache mit den Bienchen und den Störchen zwar die erste, nicht aber die letzte grosse Wissenslücke war, die sich erst mit Hilfe anderer zu füllen vermochte...

Tod Travels (TM) ist DIE führende Reisegesellschaft. Seit ein Haufen undisziplinierter Studenten der Donald-Duck-Akademie für Raum-Zeit- Physik fehlgegangene Versuche mit Schroedinger-Katzen unternahmen, konnten aufgrund der Ergebnisse eine revolutionäre neue Reisemethode entwickelt werden.
Der Trick besteht darin, dass die Kunden nach einem intensiven persönlichen Gespräch sanft zu Tode erschreckt werden. Diese Methode ist revolutionär und erlaubt sogar interplanetarische Reisen.
Die Automation erhielt auch bei Tod (TM) schnell Einzug und das persönliche Gespräch wurde in Zukunft weggelassen, der Service vermindert, die Preise erhöht und sofort von der Kreditkarte abgebucht, herlichen Dank.
Wenn auch der Werbespruch von Tod ("Ich bin zu Tode erschrocken!") in einigen Gegenden einen nicht sonderlich guten Ruf geniesst, so mag das daran liegen, dass in diesen Gegenden das Kapital einfach zu knapp ist um mit Tod zu reisen, die Methode in Vergessenheit geriet und nur noch der Werbespruch in negativem Zusammenhang übrig blieb, ausgesprochen meisst von Angehörigen von Familien, die immer noch für die Reisen ihrer Ahnen bezahlen müssen.
"So ist das also..." - Petrus war etwas verblüfft. "Könntet ihr mir denn auch sagen, wie ich wieder zu meinen Leuten komme?"
"Oh, das dürfte sich in dieser Gegend etwas schwierig gestalten! Es dauert ewig lang, bis hier was passiert, was irgendjemand zu Tode (TM) erschrecken könnte", bedauerte Nase.
"Wie es aussieht, könnte heute Petrus Glückstag sein" meinte Tieger, der über die Brüstung starrte," dahinten scheint nämlich die Weisse Dame im Anmarsch zu sein!"
Nase und Petrus sprangen auf um ebenfalls in die Richtung zu sehen, in die Tieger starrte.
Petrus sah um den Turm herum ein riesiges flaches Land. Wenn man weit genug sehen konnte, dann fiel einem auf, dass das Land in, ungefähr gleichgrosse, schwarze und weisse Felder aufgeteilt zu sein schien.Der Schwarze Turm selbst stand auf einem riesigen schwarzen Feld. Auf direkter diagonaler Linie näherte sich, stampfend, eine riesige, fette, angsteinflössende Frau, ganz in weiss gekleidet.
Bei jedem ihrer Schritte bebte der Turm ein bischen mehr und leider näherte sich die Frau ziemlich schnell.
"Oh, Mann! Der möchte ich nicht einmal in solch einem stabilen Turm im Wege stehen", meinte Petrus.
Nase und Tieger starrten ihn verwirrt an.
"Was meinst Du, auf wen die Furie losgeht, he? Das ist die Weisse Königin und leider muss ich Dir sagen, dass sie nicht zum Kaffee- klatsch vorbeikommt", versuchte Nase gegen das immer lauter werdende Stampfen der Königin anzuschreien.
"Sagt mal, ihr meint doch nicht, dass die uns rammen will, oder?"
Die Soldaten schauten sich verduzt an, wandten sich dann Petrus zu und riefen: "Bingo!"
Die Königin näherte sich unaufhaltsam.
Petrus, der nun etwas nervös wurde, meinte: "Nun werdet mal nicht kindisch! Eine Weisse Königin die einen Schwarzen Turm über den Haufen rennen möchte, ich bitte Euch, das klingt als ginge es hier um Schach!"
Das letzte, was Petrus sah, bevor die Königin den Turm rammte, war der noch gequältere Gesichtsausdruck von Tieger und Nase und als ihm die Sinne und der Boden unter den Füssen schwand, glaubte er noch zu hören: "Ich glaube, jetzt hat er es auch verstanden!"
Und in noch weiterer Ferne hörte er einen Laut, der klang, als sagte jemand mit tiefster Bass-Stimme "...und Matt!"

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