Feldpost #13: Joghurt, Leidenschaft & überlange Filme

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Feldpost #13: Joghurt, Leidenschaft & überlange Filme

Beitragvon admin » 02.12.2003, 12:26

Es fing alles damit an, dass ich gerade im dritten Versuch alle Sachen aus der Kueche vor den Computer geschleppt hatte, die ich gerne da haben wollte. Insbesondere der Loeffel fuer den Joghurt war mehr als widerspenstig und liess sich vorher staendig von mir vergessen, zuletzt auf der praktischen Knaeckebrotdose von Oma - weiss der Teufel, wie er dahin gekommen ist.

Etwas durcheinander oeffnete ich den Joghurt, immer noch misstrauisch, ob ich jetzt wirklich schon nach dem dritten Treppensprint alle Nahrungsmittel zusammen haette, als das Telefon klingelte und Thorsten in meinen Gedankennebel hinein argumentierte, dass es absolut wichtig fuer mein weiteres Leben waere, an diesem Abend ins Forum Theater Pinneberg zu gehen und dort *.* zu sehen.

Den Titel hatte ich nicht ganz verstanden, weil ich gerade den Joghurt auf seine Tauglichkeit als Nahrungsmittel ueberpruefte und Thorsten genuschelt hat, aber er liess keine Alarmglocken klingeln und so liess ich mich ueberreden, was natuerlich bedeutete, dass ich Thorsten abholen musste.

Da es zwischen uns zu den normalen Gespraechskonventionen gehoert, dass ich Thorsten darauf hinweise, dass er bitte wenigstens seine Socken angezogen haben soll, wenn ich ihn abhole[1], sprach ich das Thema kurz und halb mechanisch an und widmete mich dann wieder meinem Joghurt, der im uebrigen besser war, als die Vorurteile ueber Nahrungsmittel in meinem Kuehlschrank vermuten lassen...

UEberfluessig zu sagen, dass Thorsten seine Socken NICHT anhatte, als ich vorbeikam[2], aber ich will mich nicht in Details verlieren, jedenfalls jetzt noch nicht.

Lars stand am Eingang und verwickelte mich in ein Schwaetzchen, waehrend ich den Eintritt bezahlte und als ich mein Wechselgeld zurueckbekam, stellte ich erst die wichtige Frage, die ich schon viel frueher haette stellen sollen: "Wie heisst das Stueck eigentlich?"

Das Stueck hiess 'Verbrechen aus Leidenschaft', und die Betonung lag leider nicht auf 'Verbrechen', sondern auf dem L-Wort, welches Frauen dazu bewegt, sich Filme mit dem Hollywood Gartenzwerg Bad Pritt und UEberlaenge anzusehen.

Es handelte von drei Schwestern, die eine traumatische Kindheit hatten, vor der sie fluechten, wie auch voreinander und die am Ende doch wieder zusammenfinden. Dazwischen liegen Begegnungen mit Maennern und einer gehaessigen Cousine, die mich in ihrer Kleidung und ihrer Art stark an Frau Duscher erinnerte, einer Frau, die kein eigenes Leben hat, und darum das der ganzen Nachbarschaft lebt und allen erzaehlt. Dann gab es noch eine interessante Mixtur aus Konfrontationen, bitteren Eingestaendnissen, muehsamen Annaeherungen und erzwungener Solidarisierung. Alles was (vielleicht) Frauen Spass macht (ich entschuldige mich fuer die Unterstellung), aber...

Das "Aber" erstreckte sich geschlagene drei Stunden, in denen ich viel Zeit hatte, Thorsten boese Blicke zuzuwerfen und mir zu schwoeren, in Zukunft die Finger von Joghurt zu lassen, zumindest dann, wenn ich telefoniere!

Zu Stosszeiten befanden sich vier Frauen auf einmal auf der Buehne, die sich leider auch genauso auffuehrten, das heisst, manchmal sogar noch schlimmer, naemlich so, als waeren sie alleine im Raum! Meine mir aus Schulzeiten erhalten gebliebene Neugier, worueber Frauen sich nach dem Sport in der Umkleidekabine unterhalten, ist fuers erste gestillt und ich hoffe und bange das erste Mal in meinem Leben fuer den Feminismus: Bitte, Maedels, lasst es ein Klischee gewesen sein, was da geschah!

Im Programmheft stand, dass "Verbrechen aus L." von Beth Henley geschrieben worden ist, was sie in eine Reihe stellte, mit Autorinnen, wie Eudora Welty, Flannery O´Connor, Margaret Mitchell und anderen, von denen ich nie vorher etwas gehoert hatte, aber jetzt weiss ich wenigstens, warum...

Oh, weh, jetzt habe ich schon so lange genoergelt...

Also gut, das Stueck war nett aufgefuehrt, ich stosse mich nur an der Thematik! Wer einmal den leidenden, schicksalsergebenen Blick eines armen Kerls im Foyer eines Kinos auf sich ruhen spuerte, der es nicht fassen konnte, dass alle anderen Kinder Aliens IV gucken duerfen, nur er mit seiner Freundin diesen romantischen Film mit Bad Pritt als Nazi in Tibet sehen muss, der versteht, was ich meine.

Bis jetzt konnte mir im uebrigen noch niemand zufriedenstellend erklaeren, warum alle Frauenfilme, wie zum Beispiel "Jenseits von Afrika", oder "Der Englische Patient", UEberlaenge haben!? - Unterstellt Hollywood da etwa, dass das Publikum den Schleim nur versteht, wenn er mehr als drei Stunden durchs Hirn fliesst?

Jedem die Filme, die er verdient... - Aus genau diesem Grund war es auch merkwuerdig, dass die Kinobesitzer erstaunt waren, dass ihre Saele nach einer "Ballermann 6"-Vorfuehrung vollgekotzt und -pinkelt waren, oder?

Ich habe jedenfalls dazugelernt: Kein Joghurt mehr fuer mich, danke!

Gruesse aus der Heimat,

yours

nils


[1] Es fing als Klischee an, als Thorsten einmal von mir zum Squash spielen abgeholt wurde und wir sowieso schon zu spaet dran waren und Thorsten ohne Socken die Tuer oeffnete und sagte: "Oh, du bist ja schon da! Komm rein, ich habe gerade frischen Kaffee gekocht!" - Seit dem gibt Thorsten sich alle Muehe, das Klischee zur Tradition werden zu lassen.

[2] Er hatte eine durchaus vernuenftige Erklaerung dafuer: Er hatte den Boden des Hauses in einen Swimmingpool verwandeln wollen um ihn besser feudeln zu koennen, und irgendwann stand er in der einzigen noch trockenen Ecke und der einzige Fluchtweg fuehrte durch den neu entstandenen Teich. Logisch. Kann passieren.


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