Feldpost #21: Twilight Zone: Gammon, 3 Bremsen & Arbeit

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Feldpost #21: Twilight Zone: Gammon, 3 Bremsen & Arbeit

Beitragvon admin » 02.12.2003, 15:20

Ein halber Tag im Leben des Nils T..

So, guten Morgen, schnell geduscht und auf geht's! Mit rasenden 80 Km/h bewegt sich mein kleiner, mintgruener VW-Kuebel ueber die Autobahn. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und die Leute hoeflich - etwas zu hoeflich! Alle Welt winkt mir zu und scheint besondere Befriedigung aus merkwuerdigen Gesten zu ziehen. Erst spaet merke ich, dass ich die ganze Zeit mit gesetztem Linksblinker fahre. Naja. Wenn ich schon nicht der Schnellste bin, will ich zumindest den Eindruck erwecken...

Bei meiner Arbeitsstelle, einem grossen Deutschen Fernsehsender, begruesst mich der Pfoertner enthusiastisch und erklaert mir, dass ich ihm unauffaellig zu folgen haette, da der Gueltigkeitsstempel auf meiner Parkmarke unkorrekterweise zu verblassen droht. Das geht nun wirklich nicht. Also nimmt er kurzerhand einen dicken Filzer und malt die Zahlen unbeholfen nach. Zufrieden betrachtet er sein Werk und gibt es mir zurueck. Die Parkmarke sieht jetzt so gefaelscht aus, dass ich mich wie ein billiger Ganove fuehle, als ich auf das Gelaende fahre...

Mit Durchfahren der Schranke betrete ich die Twilight Zone. Hier darf man sich ueber nichts wundern. Ich koche erstmal Kaffee und harre der Dinge, die da kommen moegen. - Zum Beispiel Azadeh, und zwar zu spaet!

So leise wie sie eben kann stampft sie ins Buero [als sie noch einige 100 Meter entfernt war, kuendigte sich ihr Kommen schon durch die aus Jurassic Park bekannten seismischen Erschuetterungen im Morgenkaffee an], schmeisst ihre Sachen in die Ecke und fluestert: "Hat Martin gemerkt, dass ich noch nicht da bin?" - Wenn er sie nicht gehoert hat, muss er taub und ohne jegliches Gefuehl im Koerper sein. Naja, wer weiss...

Nachgeprueft: Nein, Martin, unser werter Chef, hatte nichts gemerkt. Er sass zufrieden in seinem Buero und man roch, dass er einen besonders guten Tagesanfang hatte, denn wenn dem so ist, dann badet er morgens im Buero als erstes in Gammon Aftershave, einem Produkt, dass drei Nachteile hat: erstens riecht es lausig, zweitens penetrant und drittens laesst es einen spueren, was Rasieren schreckliches mit der Haut anstellt [Stichwort: Rasierbrand!]. Damit verfehlt es eigentlich saemtliche Anforderungen an Aftershave, aber das ist nebensaechlich, solange der Chef gute Laune hat...

Azadeh, ihres Zeichens Quotenfrau und -auslaenderin in unserer Abteilung, nebenberufliche Baeckerin und Managerin einer Hip-Hop-Combo, schaltet voller Energie ihren Computer an, um die Arbeit anschliessend sofort wieder links liegen zu lassen: "Michi und Rich haben einen neuen Song gemacht! Hoer ihn dir mal an!" - Das tat ich dann, und zwar mehrmals und sehr laut, und ausserdem - vom ersten Mal abgesehen - unfreiwillig. Das ganze wurde untermalt von staendigem "Ist doch gut, oder?", gerichtet an verschiedene unschuldige Zivilisten, die zufaellig in unser Buero kamen und gleich vereinnahmt wurden, und einige arme Menschen, die sich das komplette Stueck am Telefon anhoeren mussten. Zu diesem Zweck hatte Azadeh die Musik so laut gedreht, dass sie selbst ohne Telefon und Probleme in Dortmund-Mitte zu hoeren gewesen sein duerfte.

Flucht. Auf dem Weg zu Bea, der Sekretaerin der Medienforschung [die sich selbst 'Persoenliche Assistentin' nennt, was das selbe ist, nur politisch korrekt (=US-amerikanisch) formuliert, wovon sie aber leider nie jemand informiert hat], wunderte ich mich einmal mehr, warum auf unserem Flur auf Raum 14 Raum 16 folgt - es gibt keinen Raum 15!!

Geruechte besagen, dass, wenn er eines Tages auftaucht, man besser nicht in der Naehe sein sollte...

Aus Raum 14 kommen viele, viele Stimmen. Das ist ungewoehnlich, also schaue ich da mal rein. Vier Studenten teilen sich drinnen den Job eines fuer diese Arbeit vorgesehenen Ablagestudenten und zwei Stuehle. Dabei versuchen sie besonders geschaeftig auszusehen, damit man die Relevanz ihrer Anwesenheit nicht anzweifelt. Sie entspannen sich schnell, als sie merken, dass ich es bin, der ihre Ruhe stoert und nicht jemand, der sie zur Ablage der zahlreichen Produkte des papierlosen (weil voll computerisierten) Bueros anhalten koennte. Wenn ich die Produkte des papierlosen Bueros betrachte, freue ich mich schon auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr!

Weiter geht's zu Bea. Die berichtet mir, dass die Silberpfeile nur deswegen den grossen Preis von Australien gewonnen haben, weil sie drei Bremspedale haben. Aha. Die Frage, wie viele Beine ein durchschnittlicher Autorennfahrer besitzt, um bremsen zu koennen, tut sie mit einem Achselzucken ab.

Aus der Ferne hoere ich Azadehs Bruellen die laute Musik uebertoenen: "Ist doch cool, oder?" - Ich gehe gucken, wen es jetzt erwischt hat.

Uwe sitzt schicksalsergeben vor seinem Rechner und kann sich beim besten Willen und der Lautstaerke nicht auf's Solitairspielen konzentrieren. Dann kommt Martin rein und es herrscht eine kurze, angenehme Stille, weil Azadeh die Kassette zurueckspult: "Das musst du dir mal anhoeren, Martin!"

Martin windet sich, und behauptet, dass das nicht der richtige Zeitpunkt waere und fragt Uwe zur Ablenkung, womit er gerade beschaeftigt sei. Gespannt beobachte ich, wie der sich heute wieder rausreden will. Uwe versucht Zeit zu schinden: "Arbeit? -Arbeit??" - Es klingt, als verstuende er ehrlich nicht, wovon Martin spricht. Dann kommt ihm die rettende, ablenkende Idee und er erzaehlt Martin, der das gar nicht wissen will, dass es ein Update fuer ein Programm gibt, welches er gar nicht verwendet. Der verwirrte Martin beschliesst, dass sofort nachzupruefen und verschwindet. Letzteres tat ich auch - aus Angst um den letzten lieben Rest geistiger Gesundheit!

Manchmal frage ich mich, ob der Zaun ums Sendegelaende dazu dient, Leute draussen, oder drinnen zu halten...

Gruesse aus der Heimat,

yours

nils


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