Panzerfahren

Die ersten ernstzunehmenden Geschichten von Pat und nils. Sie sind nicht mehr die Neuesten, und wer sie noch nicht kennt, sollte dringend mal reinsehen! - Die Print-Ausgaben sind gesuchte Raritäten geworden! Gesamtauflage der Print-Ausgabe: 60 Stück

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Panzerfahren

Beitragvon admin » 02.12.2003, 00:05

Links, rechts und geradeaus - Fred beherrschte seine Maschine. Es gab für ihn nichts schöneres als Panzerfahren. Er war gerade zum Feldwebel befördert worden und nur einige böse Zungen behaupten, daß dies nur aus Mitleid geschehen war. Als Feldwebel hat man schon viel Einfluß, freute sich Fred und versuchte nun als erstes am frühen Morgen einen Gefreiten dazu zu bringen seinen Panzer zu schrubben, damit er auch ordentlich glänzte.
Der zufällig vorbeikommende Gefreite, den er mit der Aufgabe betrauen wollte, bekam einen Lach-krampf und verwies ihn, als er sich wieder beruhigt hatte, auf ZDV (Zentrale DienstVerordnung) 123/5, worin angeblich festgelegt wurde, daß ein Gefreiter auf keinen Fall einen Panzer anfassen dürfe.
"Hm, das kann doch keine Lösung sein", dachte Fred und machte sich selbst daran seinen Panzer zu säubern. Er sollte ja in einer Übung leicht auszumachen sein, Freds Panzer sollte förmlich blitzen und blinken. Das Putzmaterial war in einem etwas weiter entfernten Gebäude verstaut und so wollte Fred das Dienstfahrrad nehmen, das zufällig in der Nähe stand.
Gerade wollte er sich auf den Weg machen, da kam ein Unteroffizier vorbei und wies Fred auf ZDV 34/1 hin, worin stand, daß ein Fahrzeug der Bundeswehr nur mit einem ordnungsgemäßen Führerschein zu fahren sei und man selbst dann noch eine Einweisung benötigte, um das Fahrzeug zu vorschriftsmäßig lenken zu können.
Darauf schnappte sich der Unteroffizier das Rad und fuhr weg. Nach einem kurzen Fußmarsch von fünf km (hin und zurück) hatte Fred endlich sein Putzzeug vor seinem Panzer ausgebreitet und fing an ihn behutsam zu schrubben - Er sollte ja glänzen! - als ein Leutnant des Weges kam und Fred fragte, was er da täte.
Fred antwortete ihm, daß er seinen Panzer putzen müsse und auch keine Zeit hätte, andere Dinge zu erledigen.
"Aber, aber, Herr Feldwebel, ich bin Offizier und mein Wort ist Gesetz, es sei denn, ein höherer Offizier gibt ihnen anderslautende Befehle (ZDV 08/15)! - Also, für ´s erste könnten sie mal meinen Wagen waschen!" "Aber, Herr Leutnant, haben wir für solche Arbeiten nicht die Mannschaftsdienstgrade?"
"Natürlich nicht, die haben andere Aufgaben. Ich kann doch keinem Gefreiten soetwas zumuten. Sie allerdings sind durch ihre Qualifikation als Feldwebel durchaus geeignet dafür."
Fred überlegte kurz.
"Oh, ich verstehe, ich werde mich gleich an die Arbeit machen. Ich werde ihren Wagen so behandeln, als wäre es meiner", entgegnete Fred.
"Bitte nicht! Waschen sie ihn einfach. Anschließend kümmern sie sich bitte um die Sportausbildung der Rekruten. Es steht Marathonlaufen auf dem Programm. Zeigen sie den jungen Leuten mal, wo es langgeht! Machen sie ihnen die Übung einmal vor und lassen sie sie dann als Eingewöhnung, sagen wir, 2000 Meter laufen."
"Jawohl, Herr Leutnant!"
Und so geschah des Offiziers Wille.
Nach nur 15 Runden auf dem Sportplatz fiel Fred hin und hatte einen Drehwurm. Dann, nach 25 Runden auf dem Sportplatz, fühlte er sich etwas müde. Seine Lungen japsten nach Luft. Das taten sie eigentlich schon seit der 2.Runde, aber jetzt schienen sie förmlich zu explodieren. Niemand war da, der ihm hätte zu Hilfe eilen können - Gleich nach Dienstschluß hatten sich alle Sportteilnehmer verabschiedet - während Fred gerade erst die 13. Runde hinter sich brachte.
Die Sonne ging kurz nach der 38. Runde unter. Der Wachhabende kam auf einem seiner vorschriftsmäßigen Rundgänge (ZDV 23/5) vorbei und beobachtete ihn eine Weile während Fred gerade seine 45. Runde lief.
Als er letzten Endes mit dem Lauf fertig war kroch er mit letzter Kraft zurück zu seinem Kompaniegebäude und rüttelte an der Tür, nur um festzustellen, daß sie abgeschlossen war.
Angeschlagen humpelte er zum Büro des Un-teroffiziers-vom-Dienst (UvD) und fragte nach dem Schlüssel. Der UvD (ein Obergefreiter) entgegnete, daß nur ein Offizier oder der Spieß das Recht hätten, den Schlüssel zu empfangen (ZDV 123/45) und da er sich nicht für einen Sozialarbeiter hielt, schmiss er Fred gleich wieder raus.
Fred schleppte sich zu einer Bank und versank in einen langen, tiefen Schlaf, aus dem er erst drei Tage später wieder in einer Arrestzelle erwachte. Er wurde verhaftet, weil er sich zur Nachtruhe auf einer bundeswehreigenen Bank niedergelassen hatte, ohne ZDV 42/5 zu beachten, also ohne einen entsprechenden Antrag mindestens drei Wochen vorher bei dem für ihn zuständigen Stab einzureichen.
Er blieb die nächsten zehn Monate in Haft und wurde zum Gefreiten degradiert, was er auch seine ganze restliche Dienstzeit (20 Jahre) blieb.
Der UvD erhielt eine Belobigung für beispielhafte Pflichterfüllung und heiratete nach seinem Ausscheiden aus der Truppe eine bezaubernde Frau, die ihm drei bezaubernde Kinder schenkte.
Die Rekruten, die an Freds Marathon-Übung teilnahmen, lernten nie richtig, einen Marathonlauf zu absolvieren und starben allesamt vorzeitig an Herzverfettung.
Freds Panzer verrostete und verdreckte und viel somit niemanden bei den folgenden Manövern in irgend einer Art auf.
Die Bundeswehr existiert noch immer.
Allen Angehörigen der Bundeswehr (tm) möchten die Autoren mitteilen, daß sie diese Geschichte nicht allzu ernst nehmen sollten: Funktionierte die Bundeswehr tatsächlich so gut, wie beschrieben, dann könnte sie tatsächlich ja weitaus effizienter arbeiten...

(k) Twoflower & zAphod / h.l.v.s.- prod. in mcmxcvi
"Man hat das Recht, Widerstand zu leisten!" - J.P. Sartre

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