Na, da haben sich ein paar tapfere Geschäftsleute zusammengetan, um die „Ansiedelung“ der Suchthilfe „Stay Alive“ in Altona Altstadt zu verhindern, dazu in der „schönen“ Virchowstraße, was ja mal gar nicht geht, denn das würde ja die …“Industrieromantik“ zerstören!

Geworben wurde für ein Bürgerbegehren dagegen, und zwar mit einem großen Flyer, auf dem ein (sicher nicht lizensierter) Kartenausschnitt aus Google Maps den Bürger klar machen soll, was alles auf dem Spiel steht! – In unmittelbarer Nähe zu einem Swinger Club und einem Escort-Service(!! – wird sogar auf dem Kartenausschnitt dargestellt!) soll Drogenabhängigen geholfen werden! – Das geht nun wirklich nicht!

Zwar ist eine Polizeiwache damit quasi direkter Nachbar des runtergekommenen Standorts, aber trotzdem: die teuren Grundstücke!!

Die Bürgerinitiative erklärt:

Grundsätzlich möchten wir eines voranstellen: wir haben sehr wohl verstanden, wie wichtig die Arbeit des Vereins „Jugendhilfe e.V.“ in der Drogenproblematik ist. Wir wissen, dass eine Einrichtung wie das „Stay Alive“ verhindert, dass sich eine offene Drogenszene bildet, Fixerbestecke herumliegen und ähnliches. Deshalb möchten wir hier ausdrücklich mitteilen, dass wir grundsätzlich die Arbeit des Verein Jugendhilfe e.V. unterstützen.

Aber klar! – Nur:

Trotzdem halten wir die Ansiedlung der Beratungsstelle „ABC“ und „Stay Alive“ am Standort Virchowstraße 15 für kontraproduktiv, sowohl für die Einrichtung, als auch für die Anwohner.

Es geht also um die Einrichtung, für die die Gegend schlecht wäre!? – Das ist rücksichtsvoll!

Dann lernen wir, wer denn da jetzt ansässig ist:

Es sind Menschen, die bewußt hier ihr Gewerbe angesiedelt haben, weil sie die Hoffnung hatten, dass dies hier ein Viertel mit Entwicklungspotential ist, kurz weil sie an Altona glauben!

Genau so ist das! – Das hat alles nichts mit den bestimmt sehr günstigen Mieten in einer nicht gerade hochpolierten Ecke Altonas zu tun!

Diese Gewerbetreibenden bieten hochwertige Produkte an und ziehen namhafte Kunden aus der ganzen Stadt an.

„Namhafte“ Kunden gehen da hin? – In den Swinger Club, oder zum Escort Service [1]?

Durch die von Jugendhilfe e.V. angekündigten insgesamt etwa 100 Hilfsbedürftigen würde sich das Straßenbild in der Virchowstraße und umliegender Straßen nicht nur aus Sicht der Gewerbetreibenden massiv zum Nachteil verändern.

Das halte ich nun für schlicht unmöglich. Der mangelnde Charme der Gegend kann durch eine Drogenhilfe-Einrichtung schlicht nicht noch mehr leiden. Böse Zungen behaupten, dass auf die Straße spucken diese attraktiver machen würde[2]!

Die Pharisäer sind also empört: helfen? – Aber sicher. Aber nicht hier.

Es tut mir leid, aber: wenn nicht da, wo dann? – Da ist nichts drumherum, niemand, dem die Besucher was tun können. Das ist auch genau der Grund, warum da der Swinger Club geduldet ist, oder?

Ich habe selbst einen kleinen Sohn. Und ich möchte, dass er auf dem Spielplatz spielen kann, ohne dass ich Angst vor Spritzen im Sand haben muss. Dabei hilft Stay Alive. Möchte ich „Junkies vor meiner Haustür“? Nein, wenn es sich vermeiden lässt, aber irgendwo müssen die hin, Drogenprobleme lösen sich nicht durch schöne Reden! Und wer die schöne Gegend mal gesehen hat: wenn nicht da, wo dann?

Der Kampf um die Stimmen der Bürger wird, wie vieles heute, mit dem Angst-Thema verkauft: aber die Kinder!! aber die Schulen!! – Die sind sicher, keine Sorge, es ist unsere Moral, um die wir uns sorgen müssten..

Die Website der Bürgerinitiative (eigentlich eher eine „Geschäftsinitiative“) ist hier zu finden. Man kann dort auch kommentieren, aber nur, wenn man der Meinung der Veranstalter ist. Meine Kommentare wurden sicherheitshalber nicht veröffentlicht. Wirkliche Diskussion ist also unerwünscht.

Ich veröffentliche hier übrigens auch gerne Kommentare der Gegenseite..

[1] Polemik, ich weiss. Der Punkt ist: wenn da jetzt „namhafte“ Kunden hingehen – was auch immer uns das sagen soll – so kommen die trotzdem, nicht weil die Virchowstraße so schön ist! – Und sie parken vermutlich vorm Swinger Club. Also: mein Respekt den ansässigen Geschäftsleuten, make no mistake, aber mein Disrespekt der Argumentation!

[1] Polemik #2, man möge mir verzeihen. Trotzdem würde ich meine ungeborene (und auch ungeplante)  Tochter dort (und zwar jetzt schon!) nachts nicht alleine langgehen lassen.