Klasse.

„Es ist wie normales gehen, wobei man aber durchaus darauf achten muss, dass man den Fuss mit der Ferse zuerst aufsetzt und dann abrollt. Dabei bewegt man die Arme entgegengesetzt der Laufrichtung, das ist sehr wichtig!“
– „Walking Expertin“ im Fernsehen

Also: die Alternative wäre Stechschritt in Pumps, sehe ich das richtig?

Was würden die mittelalterlichen Teilnehmerinnen (sic! – zumeist „-innen“. und mittel- bis hoch-alterlich.) wohl tun, wenn ihnen das nicht in einem teuren Wellness-Kursus beigebracht worden wären? – Vermutlich das selbe wie jetzt – mit dem Unterschied von einer Stunde Kursausübung: Mit dem Auto zum Supermarkt um die Ecke fahren („Is‘ ja schon auch recht weit, nech?“) und im Anschluss die erworbenen Chips husch-husch vor den Fernseher getragen, dort Jürgen Fliege zugucken. Danach mit der Fernbedienung auf eine Gerichts- / Koch- / Renoviersendung umschalten[1].

Zuviel Bewegung soll’s denn ja auch nicht sein.

„Das schöne am Walking und Nordic Walking ist, dass es die Gelenke und das Herz nicht stark belastet.“
– „Walking Expertin“ im Fernsehen

– Aber SICHER NICHT!
Belastung hiesse ja, dass man schon etwas anstrengendes tut!
Statt dessen, hat man …ja: was eigentlich?

Immerhin eine gute Entschuldigung, mal wieder mit dem bis dato vor Fremden verborgen gehaltenen Jogginganzug (aka „mein Wohlfühlanzug, Du“, für Leute, die’s nicht so mit Sport haben — welch Fügung des Schicksals, oder gar: welch Omen! dass jener nun letzten Endes doch noch einem *räusper* „sportlichen“ Zweck zugeführt wird!) vor die Tür zu gehen.

Was nicht gut für die ärztliche Versorgung in diesem unseren Lande ist. Wurden früher ziellos umherirrende Personen [2] (früher oder später) von Rettungskräften aufgegriffen und Heimen oder Verwahrungsanstalten zugeführt, so ist die Hemmschwelle jetzt enorm gestiegen! – Es könnte sich schliesslich auch um einen Trendsportler handeln!

Aber ach! wer litt dort, außer dem Auge des Betrachters, in dem nicht nur Kunst entsteht, sondern eben auch physische Qual ob visueller Wahrnehmung textiler Zumutung, Höllenqualen? – Die Wellness-Industrie[3]! Da kommen die alten Leute, auf deren üppige Rente man ja schon immer aus war, und sie betreiben eine Trend-Bewegungsweise (hinfort mit dem Begriff „Sport“ in diesem Kontext!), allerdings: in ihrem Jogginganzug, die schamlosen Gestalten!

– Wie soll man daran denn nun verdienen??

Wie wir alle aus dem verschandelten Stadtbild wissen ist der Wellness Industrie doch noch eine klasse Idee gekommen: sie verkaufen ihre Restbestände an Blindenstöcken an die alten Leute!
Auf denen waren sie massenweise sitzengeblieben, seit bei der letzten Gesundheitsreform Blindheit aus Kostengründen verboten wurde (ausser in schweren Fällen in Politik und Verwaltung).

Jetzt stochern sie also durch die Gegend, durchströmen die Städte, rollen sich – oder zumindest ihre Füsse – über die Ferse ab, und dem Betrachter schreit die in der Luft hängende Frage an, was das alles soll, ausser ein Verkehrshinderniss und Unfallgrund.

Aber: hey! die alten Leute lächeln. Das ist doch auch schon mal was [4][5].

Gruesse aus der Grossen Stadt,[6]

Euer

nils

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[1] Ist nicht schwer, sowas hat zur Zeit fast jeder Sender zu fast jeder Zeit im Programm.
[2] Erklärte ich das schon mal irgendwo? – In meiner Zivildienstzeit lernte ich den Fachbegriff für solche Leute: „HiLoPe“, HilfLose Person.
[3] Ja, wirklich: Industrie! – Es heisst, lieber Träumer, doch tatsächlich „Ginko EXTRAKT“ auf dem Beipack Zettel des Wellness-Zeugs, welches als solches aus einer Fabrik kommt, und nicht von einem Planzenstreichler und -anlächler Blättchen für Blättchen von der Pflanze gezupft wird. Teuer ist das Wellness Produkt trotzdem. Die Recherche, was zur Hölle Ginko genau ist, und wo man diesen Extrakt in Massen herbekommen kann, hat sicher Millionen verschlungen!
[4] Notiz an selbst: das (Fehl-)Verhalten alter Leute in Oper und Theater beschreiben. Rubrik: Sport
[5] Dieser Text hatte ein vorgesehenes schwungvolleres Ende, aber dann kam die bezaubernde Antje nach Hause und lenkte mich ab. Unter anderem mit mitgebrachtem Sushi und einer Postkarte, auf der steht: „Andere Töchter haben auch scharfe Mütter“. umm: ja.
[6] Ordentliche Endung wieder eingeführt. Ich werde jetzt nicht nachträglich beigehen und alte Einträge nacharbeiten. Das wächst hier halt organisch. Hoffentlich..